Der Anschlag einer Terrormiliz auf indischen Militärkonvoi verschärfte Spannungen zwischen Erzrivalen in der Provinz.
Wien/Neu Delhi. In Indien hat der Wahlkampf für die Parlamentswahlen, die sich am Subkontinent über Wochen von April bis Mai hinziehen werden, neuen Sprengstoff bekommen: Der Kaschmir-Konflikt mit dem Erzrivalen Pakistan, ein politischer Dauerbrenner, ist erneut aufgeflammt. Nach einem Anschlag auf einen Militärkonvoi auf einem Highway im indischen Teil Kaschmirs, der in der Vorwoche 44 Tote gefordert hatte, stuften beide Staaten – längst Atomnationen – die diplomatischen Beziehungen zurück und riefen ihre Botschafter zurück.
Für die national-konservative Regierung von Premier Narendra Modi steht zweifelsfrei fest, dass der Nachbar hinter dem Attentat steckt. Indien hat Vergeltung für den „Highway Terror“ geschworen, die Tat eines Selbstmordattentäters, der der Extremistenorganisation Jaish-e-Mohammad angehörte. Die islamistische Terrormiliz hat bereits mehrere Anschläge in Indien verübt, darunter auf das Parlament in Neu Delhi 2001 und auf einen Militärstützpunkt 2016.
Das jüngste Selbstmordattentat ist indessen das schwerste seit Jahrzehnten in der geteilten, mehrheitlich muslimischen Provinz am Rand des Himalaya, die sowohl Indien und Pakistan für sich reklamieren und um die sie seit der Unabhängigkeit 1947 bereits drei Kriege gegeneinander geführt haben. Indien hat im Kaschmir eine Viertel Million Soldaten entlang der Waffenstillstandslinie stationiert.
Auf der Suche nach dem mutmaßlichen Mastermind der Jaish-e-Mohammed, Mohammed Umair, begannen indische Truppen Dörfer zu durchkämmen und abzuriegeln. Am Montag kamen bei Gefechten zwei Verdächtige, ein Zivilist und vier indische Soldaten ums Leben.
Umair übernahm nach indischen Angaben erst im Herbst das Kommando über die Terrorgruppe, die sein Onkel Masood Azhar vor mehr als 20 Jahren gegründet hat. Die Extremisten stehen in Pakistan zwar unter Bann, unterhalten jedoch beste Beziehungen zum pakistanischen Geheimdienst, der auch schon die Taliban nach Kräften unterstützt hat. Azhar kann sich in Pakistan völlig frei bewegen, Reden halten und Geldgeber treffen. Über Jahre hat sich Indien vergeblich bemüht, Azhar auf die internationale Terrorliste zu setzen und Sanktionen gegen Pakistan zu verhängen. Im UN-Sicherheitsrat legte stets China ein Veto ein.
Großmacht-Interessen
Die Regierung in Islamabad ist Verbündeter Chinas. Peking hat im großen Stil in Pakistan investiert, das ein zentraler Teil der Seidenstraßen-Strategie ist. Die USA wiederum ermahnten Pakistan, die Unterstützung für Terrorgruppen einzustellen. Sie hatten schon im Vorjahr die milliardenschwere Militärhilfe für Islamabad gestrichen. Zugleich ist Washington auf die Kooperation mit Islamabad beim Krisenmanagement in Afghanistan angewiesen.
Indien kündigte zunächst das Handelsabkommen mit Pakistan und rief zur Isolation des Erzfeindes auf. Die Annäherung mit Indien, die Imran Khan, Pakistans neuer Premier, zaghaft eingeleitet hat, dürfte somit so rasch wieder zum Ende gekommen sein wie vor Jahren eine symbolische Friedens-Ouvertüre Modis gegenüber Pakistan. Indien gedachte des Anschlags mit Mahnwachen, Modi bezeichnete die Terroropfer als „Märtyrer“.
Modi steht unter dem Druck der Hindu-Nationalisten, war er doch vor fünf Jahren mit der Parole angetreten, den muslimischen Terror zu zerschlagen. Er drohte: „Wenn unser Nachbar denkt, er kann Indien destabilisieren, macht er einen schweren Fehler.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2019)