Experte: "Österreich ist verpflichtet, Staatsbürger zurückzunehmen" - auch IS-Kämpfer

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AUSSENMINISTERIUM - 'RUeCKBLICK 2018, AUSBLICK 2019': KNEISSLAPA/HERBERT NEUBAUER
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Einreise und Aufenthalt nach und in Österreich sei Staatsbürgern zu gewähren - egal, ob sie mutmaßliche IS-Kämpfer sind oder nicht, sagt Walter Obwexer, Völkerrechtsexperte der Uni Innsbruck.

"Österreich ist verpflichtet, eigene Staatsbürger, die zurückkehren wollen, auch zurückzunehmen", betont Walter Obwexer, Völkerrechtsexperte der Universität Innsbruck, am Montag gegenüber der Austria Presse Agentur. Es sei ihnen Einreise und Aufenthalt zu gewähren, egal, ob es sich um mutmaßliche oder tatsächliche IS-Kämpfer handle. Das resultiere aus der Staatsbürgerschaft.

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Österreich habe nach Ansicht des Experten keine Möglichkeit, den Kämpfern die Staatsbürgerschaft aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Terrororganisation abzuerkennen. Die Position Frankreichs, das keine französischen IS-Kämpfer aus Syrien einreisen lassen will, widerspricht laut Obwexer der Europäischen Menschenrechtskonvention, sofern es sich um eigene Staatsbürger handle.

In Nordsyrien werde "sicher kein IS-Kämpfer bestraft"

Österreich werde diesen Personen im Falle einer Rückkehr den Prozess machen müssen, auch wenn sie wahrscheinlich noch "eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und innere Sicherheit darstellen, wenn sie nach wie vor noch Sympathien mit dem IS hegen und ihnen vorgeworfen wird, dass sie Personen getötet haben", meinte der Jurist.

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Es gebe zwei Anknüpfungsprinzipien für eine Bestrafung, erklärte Obwexer. Nach dem Territorialitätsprinzip werden Personen in dem Land zur Verantwortung gezogen, in dem die Straftat begangen wurde. Nach dem Personalitätsprinzip werden Personen in dem Land bestraft, dessen Staatsbürger sie sind. Wobei man wegen derselben Straftat nur einmal bestraft werden könne. "Wenn in dem Staat, indem die Tat begangen wurde, schon eine Strafe ausgesprochen und vollstreckt wurde, dann kann Österreich nicht noch einmal übers Personalitätsprinzip vorgehen."

Wenn dies aber nicht der Fall ist, weil in dem Staat, in dem die Tat begangen wurde, die nötigen rechtlichen Strukturen fehlen, der Staat von einer Bestrafung absieht oder die Person schon ausgereist ist, dann könnte das Verfahren in Österreich eingeleitet werden. Er glaube, im Norden Syriens werde "sicher kein IS-Kämpfer bestraft werden", erläuterte der Völkerrechtsexperte.

Staatsbürgerschaftsprüfung bei Kindern schwieriger

"Wenn österreichische Staatsbürger in einem Drittstaat den Antrag auf konsularischen Schutz stellen, dann ist davon auszugehen, dass dieser Schutz auch zu gewähren ist", bestätigte Obwexer die dahingehenden Aussagen von Außenministerin Karin Kneissl. Im geplanten Konsulargesetz gebe es zwar Ausnahmen dafür, aber die Angehörigkeit zu Terrororganisationen sei darin nicht enthalten, sagte der Rechtsexperte. Kneissl hatte am Montag gesagt: "Gerade wenn es um Minderjährige und Mütter geht, müssen wir auch immer das Element der konsularischen Schutzpflicht hereinholen, natürlich in Tandem mit dem, was Justiz und Sicherheitsbehörden sagen."

Die Argumentation des deutschen Außenministers Heiko Maas, wonach es in Syrien derzeit nicht die Möglichkeit gebe, zu überprüfen, ob Menschen die deutsche Staatsangehörigkeit hätten, versteht Obwexer nicht: "Wo sollte da das Problem liegen? Deutschland wird doch genau wissen, wer seine Staatsbürger sind. Das kann man sicher feststellen, ob Personen die deutsche Staatsbürgerschaft haben oder nur behaupten, sie zu haben." Schwieriger sei dies, wenn es sich um Kinder handle, die im Ausland geboren wurden und es nicht sicher sei, ob das Kind von einem Staatsbürger abstammt.

(APA)

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