Kurz nennt Orban-Kampagne gegen Juncker "inakzeptabel"

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Mit einer Plakataktion gegen illegale Migration, in der EU-Kommissionspräsident Juncker und US-Milliardär George Soros zu sehen sind, eckt der ungarische Premier in Brüssel an. Ein Ausschluss aus der EVP droht.

Nein, nein, von Krieg könne keine Rede sein. Einen offenen Konflikt mit der rechtsnationalen Regierung Ungarns gebe es nicht, sagte jüngst ein Sprecher der EU-Kommission. Alles gut also zwischen Brüssel und Budapest? Mitnichten: Das Verhältnis ist am Tiefpunkt. Von alternativen Fakten, Verschwörungstheorien und Lügen ist die Rede. Allein, dass der Sprecher sich zu einer solchen Klarstellung berufen fühlt, lässt tief blicken.

Der Widerstand gegen den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban wächst. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker belässt es längst nicht mehr - wie noch 2015 - bei einem launigen Spruch und einem Klapps auf Orbans Wange. Damals begrüßte er Orban lächelnd mit den Worten "Hallo, Diktator". Mittlerweile ist ihm das Lächeln vergangen.

Seit Jahren feuert Orban gegen die EU-Kommission im Allgemeinen und gegen Juncker im Besonderen. Unmittelbarer Anlass für die schwere Verstimmung ist eine Kampagne, die die Regierung in Budapest am Montag vorstellte: Mit zu Grimassen verzogenem Gesicht sind Juncker und George Soros, ein liberaler US-Milliardär ungarischer Herkunft, zu sehen. Beide, suggeriert die Kampagne, wollten illegale Migration nach Ungarn fördern. Die Plakatkampagne "entlarvt die Migrationspläne der Brüsseler Bürokraten", erklärte Orban am Freitag.

Juncker: Orban hat keinen Platz in EVP

"Es gibt zwischen Herrn Orban und mir überhaupt keine Schnittmenge", hatte Juncker am Dienstag erklärt. Die Konservativen in Ungarn würden in keiner Weise christdemokratische Werte vertreten. "Also bin ich der Meinung, dass sein (Orbans) Platz nicht in der Europäischen Volkspartei ist." Direkt wollte Bundeskanzler Sebastian Kurz einen Ausschluss Orbans aus der EVP am Freitag zwar nicht fordern. Doch nannte er die Kampagne als "inakzeptabel".

Orban höhlt in Ungarn sukzessive Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aus, bringt kritische Medien zum Schweigen, nimmt Universitäten an die Kandare und schwächt die Opposition durch willkürliche Geldstrafen. Politikwissenschaftler sprechen von einem "hybriden System" zwischen Demokratie und Autokratie. Orban selbst nennt es "illiberale Demokratie". Mit Zäunen, xenophoben Hetzkampagnen und einer restriktiven Asylpolitik schottet er sein Land ab.

EU hat Sanktionsverfahren eingeleitet

Das Europaparlament leitete deshalb bereits ein Sanktionsverfahren wegen der Gefährdung von EU-Grundwerten ein, die EU-Kommission verklagte Ungarn wegen der Verletzung von EU-Recht vor dem Europäischen Gerichtshof. Drei Monate vor der Europawahl Ende Mai scheint - auf beiden Seiten - die letzte Zurückhaltung zu fallen.

EVP-Fraktionschef Manfred Weber ist in einer Zwickmühle: Denn bei der Wahl könnten die die Fidesz-Stimmen für ihn aber sehr wichtig werden. Seit Monaten vollzieht er einen wackligen Balanceakt. Bei der Abstimmung des EU-Parlaments stimmte er als einziger der CSU-Abgeordneten für das Strafverfahren gegen Ungarn. Regelmäßig betont er, es gebe keinen Spielraum bei Fragen des Rechtsstaats. Für einen Fidesz-Ausschluss konnte er sich bisher aber nicht erwärmen.

Nun deutete er jedoch einen Kurswechsel an. Orban müsse "erkennen, dass er sich derzeit immer weiter von der EVP entfernt", sagte Weber der "Süddeutschen Zeitung". Teile von Orbans Rede zur Lage der Nation und die jüngste Kampagne gegen Juncker "lösen in der EVP großes Unverständnis und Verärgerung aus". Er halte "manche Formulierungen für inakzeptabel" und rechne damit, dass sich auch CDU und CSU damit befassen werden.

(dpa/ag)

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