Eigentlich sollte der Tag vor der Präsidentenwahl in der Ukraine ohne Agitation verlaufen. Doch Parteistrategen finden kreative und fragwürdige Wege, die Wählergunst bis zuletzt zu beeinflussen.
Bei Sonnenschein und frühlingshaften Temperaturen verbrachten viele Kiewer gestern unbeschwerte Stunden im Freien. Am Tag vor dem Wahltermin herrscht in der Ukraine offiziell Wahlruhe: Die Bürger sollen in Ruhe über die kommende große Entscheidung nachdenken. Das Verteilen von Werbematerialien und öffentliche Auftritte der Kandidaten sind an diesem Tag gesetzlich untersagt. Parteistrategen haben dennoch rechtliche Schlupflöcher gefunden, wie man bis zum letzten Moment die Wählergunst beeinflussen kann.
Die neu plakatierten großflächigen Poster, die für die drei Favoriten Petro Poroschenko, Julia Timoschenko und Wolodymyr Selenskij Werbung machen, enthalten zwar keinen schriftlichen Hinweis auf die Kandidaten. Sie sind aber im – mittlerweile wiedererkennbaren – Stil der jeweiligen Kampagnen gestaltet. So steht auf Postern, die mit ihrem violetten Hintergrund unschwer als zur Werbelinie des Amtsinhabers gehörig erkennbar sind, nur das Wort: „Dumaj“, „Denk nach“. Präsident Poroschenko inszeniert sich auf diese Weise als rationale Option und Garant für Stabilität. Julia Timoschenko, deren Wahlkampagne in den ukrainischen Nationalfarben Gelb und Blau gehalten war, ruft hingegen nach „Veränderung“. Sie setzte in einem klassischen Protestwahlkampf auf soziale Heilsversprechen.