Das Entsetzen der Tories über Mays Brexit-Kurswechsel

Jacob-Rees Mogg will raus aus der EU und das so deutlich wie möglich.
Jacob-Rees Mogg will raus aus der EU und das so deutlich wie möglich.REUTERS
  • Drucken

Brexit-Hardliner Rees-Mogg verurteilt das Kompromissangebot der Parteichefin an die Labour Partei. Der Wales-Staatssekretär trat zurück. Beide nennen Labour-Chef Corbyn einen Marxisten.

Die britische Premierministerin Theresa May hat mit ihrem Kompromissangebot zum Brexit an die Sozialdemokraten ihre Partei massiv vor den Kopf gestoßen. Zu verlieren hat May bei den Tories ohnehin nichts - ihr Amt wird May wohl bald los sein. Und so setzt sie in der finalen Brexit-Phase auf Gespräche mit der politischen Konkurrenz, mit der Labour-Partei von Jeremy Corbyn. Die Hardliner der konservativen Tory-Partei zeigten sich Mittwochvormittag entsetzt über das Vorgehen Mays.

Corbyn sei ein "bekannter Marxist", so der konservative Abgeordnete Jacob-Rees Mogg. Er bezeichnete laut "Daily Mail" Corbyn als neuen stellvertretenden Premier von May. Der konservative Abgeordnete Nigel Adams erklärte wegen Mays Plänen seinen Rücktritt als Staatssekretär für Wales. Er kritisierte, dass es einen Deal mit "einem Marxisten" geben könnte.

Taktisch-politisch schwierige Aufgabe für Corbyn

Allerdings kam zuletzt auch von sozialdemokratischer Seite eine Warnung an Corbyn, nicht in eine Falle zu tappen. Dabei könnte Blut an den Händen von Corbyn hängen bleiben, wenn Großbritannien die EU nun mit einem sanfteren Deal oder überhaupt nicht verlasse, wurde ein britischer Labour-Abgeordneter zitiert.

Der ehemalige deutsche SPD-Vorsitzende und frühere EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat unterdessen Corbyn aufgefordert, dem Deal zuzustimmen. Er hoffe, dass sich "die Allianz der Vernünftigen bildet".

May will nach Angaben von Brexit-Minister Stephen Barclay in den Gesprächen über den EU-Ausstieg mit Labour-Chef Jeremy Corbyn am Mittwoch keine Vorbedingungen stellen.

Gegenwind aus der eigenen Fraktion

Auch im Parlament will sich May ein Mal mehr erklären. Sie wird sich nach ihrem Brexit-Kompromissangebot an die Opposition am Mittwoch den Fragen der Abgeordneten stellen. Bei der Fragestunde im Parlament (gegen 13 Uhr MESZ) muss die Regierungschefin mit ziemlich heftigem Gegenwind aus den eigenen Reihen rechnen.

May hatte am Dienstagabend nach einer siebenstündigen Krisensitzung ihres Kabinetts angekündigt, einen weiteren kurzen Aufschub des EU-Austritts zu beantragen. Sie wolle sich nun mit Oppositionschef Jeremy Corbyn von der Labour-Partei zusammensetzen und nach einer Lösung aus der Brexit-Sackgasse suchen.

Kurz: "Chaos hat sich nicht verändert"

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sieht derzeit keinen Grund, den Briten beim Brexit eine weitere Fristerstreckung zu gewähren. "Das Chaos in Großbritannien hat sich nicht verändert", sagte er am Mittwoch nach dem Ministerrat. Es sei kein klarer Weg absehbar, der im britischen Unterhaus mehrheitsfähig wäre.

"Ich darf mitteilen, dass ich Ihnen leider noch immer nicht sagen kann, wie diese Frage ausgehen wird", meinte der Kanzler lakonisch: "Eine Fristerstreckung wäre daher derzeit pure Spekulation." Er rief zum Daumendrücken für Premierministerin Theresa May auf, damit sie vielleicht doch noch einen Ausweg zur Vermeidung eines "Hard Brexit" finde. An die britischen Abgeordneten appellierte er, an den drohenden massiven Schaden eines "No Deal"-Szenarios für Bevölkerung und Volkswirtschaft zu denken.

Handlungsmöglichkeiten aufseiten der Union erkennt Kurz nicht mehr viele. "Wir sind in einer Situation angelangt, wo die EU selbst sehr wenig tun kann. Wir sind die Leidtragenden, wenn es schlecht ausgeht, aber es ist nicht mehr in unserer Hand", sagte er im Pressefoyer nach der Regierungssitzung.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

BRITAIN-EU-POLITICS-BREXIT
Europa

EU-Wahl: Nigel Farage wettet auf Sieg

Der britische EU-Gegner will die Europawahl zum Schlag gegen die Regierung nutzen. Derzeit aber würde die oppositionelle Labour klar gewinnen.
EU- und britische Flagge vor dem britischen Parlament
Europa

EVP-Spitzenkandidat Weber für zweites Brexit-Referendum

Die EU gewährt Großbritannien für den Austritt eine Fristverlängerung bis Ende Oktober. Premierministerin May will den Brexit noch vor dem 22. Mai, doch ihr fehlt die Mehrheit.
Matteo Salvini.
Europa

Europawahl: Brexit-Aufschub stoppt Salvinis rechte Allianz

Der Wiedereinzug der britischen Tories ins Europaparlament macht die Vereinigung aller Kräfte am rechten Rand politisch unwahrscheinlich. Zugleich droht ein halbes Jahr politischer Stillstand in Brüssel.
Das Unterhaus kann nur die gesamte Regierung absetzen. Im Bild: Premierministerin Theresa May.
Europa

Was steht nach der Brexit-Verlängerung in London auf dem Spiel?

Ist die weitere Verschiebung eine Chance für Premierministerin May oder ihr endgültiges Ende? Wie es in Großbritannien innenpolitisch weitergehen wird. Ein Überblick.
Europa

EU gestattet May Brexit-Aufschub bis 31. Oktober

Die EU-Staaten und Großbritannien einigen sich auf eine flexible Verschiebung des Brexit bis Oktober. „Bitte verschwendet die Zeit nicht“, warnt EU-Ratspräsident Tusk.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.