Zirngast: "Weiß nicht, wogegen ich mich verteidigen soll"

APA/MATHIAS ZOJER
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Der in der Türkei angeklagte österreichische Journalist Max Zirngast, will zu Beginn des Prozessauftakts die Anklage kritisieren: „Die Vorwürfe sind nicht ernst zu nehmen".

Der in der Türkei wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer Terrororganisation angeklagte österreichische Student und freie Journalist Max Zirngast will am Donnerstag zu Prozessbeginn in Ankara die Anklage kritisieren. "Die Vorwürfe sind nicht ernst zu nehmen", sagte Zirngast am Mittwoch bei einem Pressegespräch im Presseclub Concordia in Wien per Videozuschaltung.

Seine Aktivitäten würden selektiv für die Anklage herangezogen, erklärte er. Dazu zählt unter anderem eine Philosophievorlesungsreihe, die der Absolvent der Universität Wien in der Türkei organisiert hatte.

Im September vergangenen Jahres war der damals 29-jährige Aktivist in seiner Wohnung festgenommen und inhaftiert worden. Nach Annahme der Anklage durch das Gericht wurde Zirngast am 24. Dezember unter Auflagen - darunter ein Ausreiseverbot - freigelassen.

Laut Zirngast keine schlüssigen Beweise

Schlüssige Beweise gibt es ihm zufolge für die Anklage keine - durch "Vermutungen, Anspielungen und freie Assoziationen" werde in der 123-seitigen Schrift der Eindruck erweckt, er habe Verbindungen zu einer "bewaffneten illegalen Terrororganisation" namens "Kommunistische Partei der Türkei / Funke (TKP/K)". Deren Existenz wurde jedoch 2015 bereits bei einem Gerichtsverfahren wegen ähnlicher Anschuldigungen nicht bewiesen und findet sich auch nicht auf der Liste der aktiven Terrororganisationen der türkischen Regierung.

"Ich weiß nicht, wogegen ich mich verteidigen soll, es gibt keinen konkreten Tatbestand", sagte Zirngast. Eines der zentralen Beweismittel sei ein von ihm verfasster Text aus dem Jahr 2015. "Die Begriffe, die darin vorkämen, haben damals alle Menschen bis hin zum Präsidenten verwendet", erklärte er. Die strukturellen Analysen, die er schreibe, seien kritisch, "aber nichts davon ist strafrechtlich relevant".

Für ihn als Journalisten sei es "völlig normal", dass er sich mit den unterschiedlichsten Personen treffe, alle möglichen Bücher lese und im Internet zu verschiedenen politischen Bewegungen recherchiere. Dass er Webseiten von kurdischen Gruppierungen besucht habe, werde nun gegen ihn verwendet, obwohl er auch nach der türkischen Regierungspartei AKP oder der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) gesucht habe.

Regierung versucht, „Selbstzensur“ zu erreichen

Für schlampig hält er die Anklage nicht. Sein Fall passe vielmehr in ein Muster willkürlicher Strafverfolgung kritischer Journalisten und oppositioneller politischer Aktivisten. Die Regierung versuche, durch die Rechtswillkür "eine Art der Selbstzensur" zu erreichen. "Die Angst zu sprechen hervorzurufen, ist das, was das System bezweckt", so Zirngast.

"Die türkische Polizei und ihre Terroreinheit weiß sehr genau, wer die Menschen sind, die sie beschuldigt", berichtete der Politikwissenschaftsstudent. Seiner Festnahme seien zwei Monate physischer Überwachung vorausgegangen, fünf Monate sei sein Telefon abgehört worden, auch das Internet wurde überwacht.

Zirngast bedankte sich am Mittwoch für die Unterstützung von Journalistenorganisationen und das große Interesse der österreichischen Presse, lenkte die Aufmerksamkeit aber von sich ab: "Es gibt tausende Menschen in der Türkei, die in einer ähnlichen Situation sind wie ich oder in einer viel schlimmeren". Es gelte daher, in Europa permanent auf die Zustände in der Türkei hinzuweisen.

Dem 1989 geborenen Steirer drohen bei einer Verurteilung bis zu siebeneinhalb Jahre Haft. In letzter Instanz erwartet er sich einen Freispruch. Welche Instanz das sei, wisse man jedoch nicht, sagte er am Mittwoch.

(APA)

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