Die OSZE bemüht sich in abtrünnigen Gebieten um eine Waffenruhe. Nicht einmal zum Osterfest ist das bisher gelungen.
Kiew. Während am Sonntag in weiten Teilen der Ukraine die Wählerinnen und Wähler zu den Urnen schreiten werden, um einen neuen Präsidenten zu wählen, könnten in den beiden abtrünnigen prorussischen Regionen Donzek und Lugansk Schüsse fallen und Granaten explodieren. Zwar hat sich die in Wien ansässige Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa wiederholt bemüht, die Konfliktparteien zu einer Frühlingswaffenruhe zu bewegen. Doch alle derartigen Versuche scheiterten bisher schon nach wenigen Tagen.
Der österreichische Spitzendiplomat und OSZE-Vermittler Martin Sajdik strengte sich zuletzt an, Regierungsseite und Separatisten dazu zu bringen, dass sie ihre Waffen während des orthodoxen Osterfests in der kommenden Woche zum Schweigen bringen. Allerdings vergeblich. Am Mittwoch nächster Woche will die OSZE noch einmal einen Anlauf machen.
Seit Anfang März sind bei Kämpfen ein Dutzend Regierungssoldaten getötet und mehr als 40 verwundet worden. Der Konflikt in der Ostukraine hat seit 2014 mindestens 13.000 Todesopfer gefordert, nach einer neueren Schätzung der Vereinten Nationen sogar über 16.000. Laut OSZE-Angaben hat es im ersten Quartal einen Rückgang der Gewalt gegeben, auch seien weniger schwere Waffen außerhalb der erlaubten Areale entdeckt worden. Doch der Minsker Friedensprozess kommt nicht vom Fleck, der Konflikt bleibt eingefroren, es kommen weiter Soldaten und Zivilisten gewaltsam ums Leben.
Das Verhältnis zwischen der Ukraine und Russland bleibt höchst angespannt – und der russische Präsident, Wladimir Putin, tut auch alles, dass das so bleibt. Diese Woche verlängerte ein Moskauer Gericht die Haft für die im November im Asowschen Meer festgenommenen 24 ukrainischen Matrosen bis Ende Juli. Die Seeleute sitzen seit mehr als vier Monaten wegen angeblicher Grenzverletzung in einem Moskauer Gefängnis; die Regierung in Kiew betrachtet sie als Kriegsgefangene. Alle internationalen Bemühungen um ihre Freilassung – etwa vom internationalen Seegerichtshof in Hamburg oder von der deutschen Bundeskanzlerin, Angela Merkel – wurden bisher in Moskau abgeschmettert.
In Kiew wird inzwischen darüber spekuliert, dass Präsident Putin nach einem wahrscheinlichen Wahlsieg von Herausforderer Wolodymyr Selenskij die Matrosen als Zeichen des guten Willens gegenüber dem neuen ukrainischen Machthaber freilassen könnte. Entsprechend äußerte sich etwa Wiktor Medwedtschuk, Putin-Freund und Stabschef des früheren ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters
Verteilt Moskau Pässe an Separatisten?
Aus Moskau verlautete diese Woche auch, dass Russland den Bewohnern der abtrünnigen Regionen Donzek und Lugansk russische Pässe anbieten könnte. „Alle Instrumente stehen dafür bereit“, teilte Senator Andrej Klimow mit. Es brauche nur noch die entsprechende Anordnung Putins, um den Prozess in Gang zu setzen. Nach Angaben der Separatisten leben 3,6 Millionen Menschen in den Regionen Donezk und Lugansk. Putin könnte dieselbe Taktik anwenden wie in den abtrünnigen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien. Auch dort wurden massenhaft russische Pässe ausgestellt, was Moskau dann 2008 als Rechtfertigung für eine massive Militärintervention zum Schutz der eigenen Staatsbürger diente. (DPA, Bloomberg, Reuters)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2019)