Italien: Die Populistenkoalition im Rosenkrieg

Der seit Monaten schwelende Konflikt innerhalb der radikalsten Populistenkoalition in der EU dürfte seinen bisherigen Höhepunkt erreicht haben.
Der seit Monaten schwelende Konflikt innerhalb der radikalsten Populistenkoalition in der EU dürfte seinen bisherigen Höhepunkt erreicht haben.REUTERS
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Korruptionsvorwürfe gegen einen Lega-Staatssekretär lassen die Spannungen innerhalb der Regierung eskalieren: Von beiden Seiten mehren sich Forderungen nach baldigen Neuwahlen. Möglicher Termin ist der Herbst.

Wien/Rom. „Guten Morgen. Und wieder ein Tag, an dem die Lega droht, die Regierung zu Fall zu bringen.“ Diesem zynisch-bitteren Facebook-Eintrag von Freitagfrüh nach zu schließen, hatte Italiens Fünf-Sterne-Vizepremier, Luigi Di Maio, die Nacht zuvor nicht wirklich gut geschlafen. Zu groß dürfte die Wut auf den Regierungspartner sein, die ausländerfeindliche Lega von Innenminister Matteo Salvini.

Der seit Monaten schwelende Konflikt innerhalb der radikalsten Populistenkoalition in der EU dürfte seinen bisherigen Höhepunkt erreicht haben: Fünf Sterne und Lega warfen einander den ganzen Tag Korruption, Sabotage, Heuchelei und Intrige vor. Aus beiden Parteien drangen Stimmen, dass die Tage der seit Juni amtierenden Koalition gezählt seien. „Die Stimmung war noch nie so schlecht wie jetzt“, sagt ein Lega-Mitglied.

Ein anderer forderte offen „sofortige Wahlen. Weil wir es satthaben.“ Anlass für die Eskalation sind Korruptionsermittlungen gegen einen engen Vertrauten Salvinis („Die Presse“ berichtete): Transport-Staatssekretär Armando Siri soll Windenergiefirmen den Weg für staatliche Aufträge geebnet und dafür Schmiergeld erhalten haben. Pikanter noch: Siri arbeitete im Auftrag eines dubiosen Wissenschaftlers, der Kontakte zu hochrangigen Mittelsmännern der sizilianischen Mafia pflegt.

Dieser Ökonom war auch maßgeblich an der Erstellung der Regierungspläne der Lega im Energiebereich zuständig. Windenergie ist eine lukrative Einnahmequelle der Mafia, die mittels Windparks nicht nur Geld wäscht, sondern auch Milliarden öffentlicher Fördergelder kassiert.

Chefs reden nicht miteinander

Auffallend schnell suspendierte Fünf-Sterne-Transportminister Danilo Toninelli den Lega-Staatssekretär, Di Maio verlangte dessen sofortigen Rücktritt. Was wiederum Salvini auf die Palme brachte: „Siri wird weder jetzt noch irgendwann zurücktreten.“ Er drehte den Spieß um und erinnerte an neue Korruptionsvorwürfe gegen Roms Fünf-Sterne-Bürgermeisterin, Virginia Raggi.

Damit war die Lawine losgetreten. Als sich auch der Fünf Sterne nahestehende Premier Giuseppe Conte „besorgt“ äußerte und die Affäre als „ernste Angelegenheit“ bezeichnete, der man „auf den Grund gehen sollte“, platzte Salvini der Kragen: „Sagt es doch gleich, dass ihr die Regierung in die Luft sprengen wollt.“ Conte jedenfalls soll weiter hartnäckig auf den Rücktritt des Staatssekretärs drängen. Fünf-Sterne-Chef Di Maio spricht indes gar nicht mehr mit Salvini. Stattdessen berichtete er über „kontroversielle Pläne“ Siris: „Sie sind auf unserem Schreibtisch gelandet, wir haben sie gestoppt. Wer weiß, was sonst passiert wäre.“ Er nannte keine Details.

Die Nerven liegen also blank, zumal der EU-Wahlkampf in die heiße Phase kommt. Für beide Parteien ist das Votum Ende Mai eine richtungsweisende, innenpolitische Bewährungsprobe. Die Korruptionsvorwürfe kommen höchst ungelegen: Sowohl Lega als auch Fünf Sterne haben sich stets als Saubermacher präsentiert und „die dunklen Machenschaften der Kaste“ angeprangert.

Annäherung an Berlusconi

Offen ist, wie sich die Skandale auf die EU-Wahl auswirken. Umfragen prognostizierten einen Lega-Rekorderfolg, während die Fünf-Sterne-Bewegung massiv verlieren dürfte. Gerüchten zufolge plant Salvini, nach der Wahl die schwierige Kooperation mit den „Grillini“ zu beenden. Zuletzt näherte sich die Lega wieder dem Expartner, Silvio Berlusconis Forza Italia, an.

Die jüngsten Ereignisse dürften den Prozess der Regierungsauflösung beschleunigt haben. Der große Crash dürfte trotzdem erst nach dem EU-Votum erfolgen, mit möglicher Neuwahl im Herbst. Bis dahin wird wohl der Rosenkrieg täglich neue Höhepunkte erreichen – und die Regierungsarbeit vollends blockieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2019)

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