Der Triumph des Komikers Selenskij

Erfolgreicher Wahlkampf: Wolodymyr Selenskij
Erfolgreicher Wahlkampf: Wolodymyr SelenskijREUTERS
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Vorläufigen Auszählungsergebnissen zufolge liegt der politische Newcomer eindeutig vor Amtsinhaber Petro Poroschenko. Der gestand am Sonntagabend seine Niederlage ein und kündigte an, weiter in der Politik bleiben zu wollen.

Die Ukrainer haben entschieden: Wolodymyr Selenskij ist das neue Staatsoberhaupt des osteuropäischen Landes.  Auszählungserebnissen zufolge stimmten 73 Prozent für den Polit-Neuling. Amtsinhaber Petro Poroschenko kam demnach auf knapp 25 Prozent der Stimmen. Wahlberechtigt waren 30 Millionen Bürger. Die Wahlbeteiligung lag bei 62 Prozent.

72,7 Prozent - Selenskij und seine Frau Olena
72,7 Prozent - Selenskij und seine Frau OlenaAPA/AFP/GENYA SAVILOV

Im Pressezentrum Selenskijs brachen die Unterstützer kurz nach 20 Uhr in Jubel aus, Konfettis wurden verschossen. Der Medienandrang war enorm: Rund 500 Journalisten drängten sich rund um die Bühne. Selenskij trat kurz vor die Presse und dankte seinen Unterstützern und seiner Ehefrau. „Ich verspreche, dass ich euch nie enttäuschen werde.“ Er dankte seinen Wählern und auch jenen, die nicht für ihn gestimmt hatten. Er wandte sich an die Bürger in postsowjetischen Ländern. „Schaut auf uns. Alles ist möglich.“

Bei einer Pressekonferenz beantwortete der Gewinner Journalistenfragen - in gewohnt ironischer Manier und mit der einen oder anderen Gegenfrage. Bezüglich Donbass-Konflikt sagte Selenskij, dass er am Normandie-Format und Minsker Prozess festhalten wolle. Allerdings kündigte er personelle Veränderungen an. Damit könnten die Chefverhandler gemeint sein. Er wolle alle in Russland inhaftierten Ukrainer befreien, bekräftigte Selenskij. „Ich werde alles tun, um sie zurückzuholen.“

Innenpolitisch nahm er zum von Präsident Poroschenko ernannten Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko Stellung. Der gehöre zum „alten Kommando“ - eine Ablösung erscheint wahrscheinlich. Die von Poroschenko angebotene Hilfe bei der Orientierung im Amt wolle er annehmen. Bald schon wolle er sein Team aus „jungen, kreativen Leuten“ genauer vorstellen. Selenskij verzichtete weiterhin auf konkrete politische Ansagen. „Die Ukrainer sind ein einiges Volk", antwortete er auf eine Journalistenfrage bezüglich der regionalen Differenzen im Land.

Poroschenko gestand Niederlage ein

Poroschenko gestand kurz nach Wahlschluss seine Niederlage ein. In einer emotionalen, aber gefassten Rede fasste er seine Errungenschaften zusammen und kündigte an, mit seinem Team weiter für westliche Werte kämpfen zu wollen. „Wir werden den Kurs unseres Landes in Richtung Nato und EU verteidigen", sagte Poroschenko, neben dem seine Frau Marina stand. „Wir werden die Sicherheit der Ukraine und die jedes einzelnen Staatsbürgers verteidigen.“

Die Atmosphäre erinnerte mehr an eine Party
Die Atmosphäre erinnerte mehr an eine PartyAPA/AFP/GENYA SAVILOV

Dann dankte er seinem Team. Er kündigte an, weiter politisch tätig sein zu wollen, „damit eure Stimmen nicht umsonst waren". In seinem Pressezentrum war es bei weitem nicht so gedrängt wie bei Selenskij. Seine Anhänger applaudierten mehrmals während der Ansprache. „Ich werde für die Ukraine beten", sagte der noch amtierende Präsident. Er erwähnte auch die Parlamentswahlen im Herbst. Poroschenko könnte sich dabei als Oppositionsführer positionieren. Die Wahl ist auch für Selenskij entscheidend, da er als Präsident dringend eine Mehrheit im Parlament benötigt.

Mehr Party als Polit-Veranstaltung

Selenskij erhielt in allen Landesteilen mehr als die Hälfte der Stimmen. Seine Unterstützung war laut Exit Polls vor allem im Osten (88 Prozent Zustimmung) und Süden (85 Prozent Zustimmung) des Landes hoch. Aber auch in den westlichen Regionen (bis auf eine - Lemberg) erhielt er mehr Stimmen als der Amtsinhaber Poroschenko: 57 Prozent wählten demzufolge Selenskij, 41 Prozent für Poroschenko.

Wie schon in der ersten Wahlrunde hatte im Hauptquartier des Herausforderers tagsüber eine gelöste Stimmung geherrscht: Journalisten vertrieben sich an Pingpongtischen und beim Tischfußball die Zeit. Wein und Sekt wurden gereicht. Ein DJ legte Clubmusik auf. Auf vielen Bildschirmen flackerte die Wahlwerbung Selenskijs. Die Atmosphäre erinnerte mehr an eine Party als an eine Polit-Veranstaltung. Nachdem der Kandidat gegangen war, leerte sich auch der Platz um die Bühne allmählich. Am Boden blieben bunte Papierschnipsel liegen.

Trump und Macron gratulieren

Nach seinem Sieg bei der Stichwahl um das Präsidentenamt gratulierten mehrere Staats- und Regierungschefs dem Schauspieler. US-Präsident Donald Trump habe den 41-Jährigen angerufen und auch das ukrainische Volk zur friedlichen und demokratischen Wahl beglückwünscht, teilte sein Sonderbeauftragter Kurt Volker auf Twitter mit.

"Wir werden die Ukraine weiter unterstützen bei ihren Anstrengungen, die territoriale Unversehrtheit herzustellen und Russlands Aggression abzuwehren", schrieb der US-Vertreter nach der Wahl am Sonntag.

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beglückwünschte Selenskij am Telefon, wie der Wahlsieger auf seiner Facebook-Seite mitteilte. Macron hatte den Komiker wie auch Poroschenko kurz vor der Abstimmung in Paris empfangen. Dagegen hatte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin nur Poroschenko getroffen. Auf Twitter gab es zudem Glückwünsche von der EU und der NATO.

In Russland äußerten Politiker die Hoffnung auf einen eigenständigen politischen Kurs des neuen Präsidenten und auf einen Neustart in den Beziehungen mit der Ukraine. US-Vertreter Volker hatte schon vor der Abstimmung deutlich gemacht, dass die Vereinigten Staaten ihr Engagement in der Ukraine auf lange Sicht angelegt hätten. Vor allem auch mit US-Hilfe hatte der scheidende Poroschenko das Militär in der Ex-Sowjetrepublik wieder gestärkt. Die USA dankten Poroschenko.

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