Der 41-jährige Entertainer Wolodymyr Selenskij wird neuer Präsident der Ukraine. Er holte die Mehrheit der Bürger in ihrem Alltag ab.
Die Ukrainer haben entschieden, einen Mann an die Spitze ihres Staates zu stellen, dessen politische Überzeugungen sie kaum kennen. In diesem Präsidentschaftswahlkampf wirkten Bilder stärker als Inhalte. Auf erstere setzte Bühnenprofi Wolodymyr Selenskij, und war mit seiner für das Land vollkommen neuen Kampagne erfolgreich.
Selenskij gibt sich als Mann aus dem Volk, er redet wie ein einfacher Ukrainer und reißt mitunter derbe Witze. Das alles gehört zur populistischen Inszenierung: Als Chef einer Unterhaltungsfirma ist er ein gemachter Mann, besitzt Immobilien und urlaubt im Ausland.
Doch die Ukraine nahmen ihm das Image, das er im TV von sich gezeichnet hatte, nur zu gern ab. Durch die Besetzung von Themen, die der amtierende Präsident Petro Poroschenko vollkommen vernachlässigt hatte, traf er den Nerv der Bevölkerung. Wohlstand und Wohlfühlen, Kampf gegen Armut und Korruption, das waren seine Schwerpunkte – und für die meisten sind diese lebensnaher und dringlicher als Geopolitik, Freundschaft mit Angela Merkel und Verteidigungsbereitschaft, wie sie Poroschenko betonte. Zudem vermied Selenskij Zuspitzungen: Er positionierte sich als Gegner des Krieges im Osten, vermied aber gleichzeitig Schuldzuweisungen an Russland.
Selenskij stand für das Neue, für das Unverbrauchte, für die Hoffnung. Was sich hinter diesen so plakativen wie diuffusen Schlagwörtern verbirgt, werden die nächsten fünf Jahre zeigen. Am Wahlabend präsentierte Selenskij, der kurz vor die Presse trat, abermals keine konkreten Inhalte.
Im Jahr 2014 war die Staatlichkeit der Ukraine bedroht. Das Land wählte den Staatsmann. Fünf Jahre später hat die kleine Welt vor der großen gesiegt. Das Land wählte den Showmann. Auf Selenskij lastet eine kolossale Verantwortung. Hoffentlich ist der große Unbekannte der ukrainischen Politik seiner Aufgabe gewachsen.