PKK-Chef Öcalan ruft zur Versöhnung in der Türkei auf

REUTERS
  • Drucken

Der seit 20 Jahren auf einer Gefängnisinsel inhaftierte Kurdenführer Abdullah Öcalan spricht sich gegen Polarisierung und Streitkultur aus und ruft zu demokratischen Verhandlungen auf.

Aus seiner lebenslangen Haftstrafe heraus hat der Chef der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, zu einer "tiefen gesellschaftlichen Versöhnung" in der Türkei aufgerufen. Um die Probleme zu lösen, müsse man sich von "jedweder Polarisierung und Streitkultur" fernhalten und zur Methode der "demokratischen Verhandlung" übergehen.

Öcalans Erklärung wurde am Montag von seinen Anwälten verlesen, die den PKK-Chef erstmals nach rund acht Jahren wieder hatten besuchen können.

Das Gespräch habe vergangene Woche Donnerstag auf der Gefängnisinsel Imrali stattgefunden und etwa eine Stunde gedauert, teilten seine Anwälte am Montag in Istanbul mit. Der PKK-Führer sitzt seit 1999 auf der Gefängnisinsel im Marmarameer in fast völliger Isolation eine lebenslange Freiheitsstrafe ab. Im Jänner hatte er zuletzt Besuch von seinem Bruder erhalten.

Die PKK kämpft seit 1984 mit Waffengewalt und Anschlägen für einen kurdischen Staat oder ein Autonomiegebiet im Südosten der Türkei. Inzwischen ist die PKK nach eigenen Angaben von der Maximalforderung eines unabhängigen Staates abgerückt.

Öcalan traf Anwälte

Öcalan hatte schon in seiner letzten traditionellen Botschaft zum kurdischen Neujahrsfest im März 2015 aus dem Gefängnis heraus zu einem Ende des gewaltsamen Kampfes aufgerufen. Damals führten die PKK und die türkische Regierung Friedensgespräche. Der mehr als zwei Jahre andauernde Versöhnungsprozess scheiterte jedoch im Sommer desselben Jahres. Seitdem geht das türkische Militär wieder verstärkt gegen die Organisation vor. Die PKK und ihre Splitterorganisation TAK verübten zahlreiche Anschläge, unter anderem in Ankara und Istanbul.

Öcalan ging nach Angaben der Anwälte auch auf Syrien ein, wo die Kurdenmiliz YPG, die enge Verbindungen zur PKK hat, große Gebiete beherrscht. In dem Kriegsland müsse auf eine friedliche Lösung hingearbeitet werden, hieß es in der verlesenen Erklärung. Dabei müsse man auf die Empfindsamkeiten der Türkei Rücksicht nehmen.

Die Anwälte nannten es "Besorgnis erregend", dass Öcalan rund acht Jahre lang der Kontakt zu seinen Verteidigern verweigert worden sei. Vier Verteidiger hätten um eine Erlaubnis gebeten, nur zweien sei der Besuch erlaubt worden. "Weder wir noch unser Mandant wissen oder können voraussehen, ob die Anwaltstreffen periodisch fortgesetzt werden", hieß es.

Aus Protest gegen die Haftbedingungen Öcalans war die Abgeordnete der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP, Leyla Güven, am 8. November in den Hungerstreik getreten. Zahlreiche Unterstützer schlossen sich der Aktion Güvens an. Nach Angaben der HDP befinden sich zurzeit rund 3000 Menschen alleine in Gefängnissen im Hungerstreik. Nach Angaben der Anwälte appellierte Öcalan an die Hungerstreikenden, ihre Gesundheit und ihr Leben nicht zu gefährden.

(APA/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Erdogan weist Kritik an Wahlwiederholung in Istanbul zurück

Der türkische Präsident sieht die Entscheidung zur Wahlannullierung im Rahmen demokratischer Prinzipien. EU-Nachbarschaftskommissar Hahn bezeichnet die Begründung der türkischen Wahlbehörde als „Farce".
Vor allem die Jugend Istanbuls steht auf der Seite von Ekrem Imamoğlu, dem der Sieg bei der Bürgermeisterwahl in Istanbul gestohlen wurde.
Außenpolitik

Türkei: Auf einer Welle der Euphorie gegen Erdoğan

Nach der dubiosen Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul schließt sich eine breite Bewegung zusammen, um Oppositionskandidat Imamoğlu auch bei der Wahlwiederholung am 23. Juni zum Sieg zu verhelfen. Eine Reportage.
Tausende Oppositionelle gingen schon in der Nacht auf Dienstag gegen die Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul auf die Straße.
Außenpolitik

Jetzt erst recht: Die Anti-Erdoğan-Allianz wächst

Nach der Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul bildet sich eine breite Front gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Selbst in der AKP sind nicht alle mit dessen Vorgehen einverstanden.
Präsident Erdogan im Parlament
Außenpolitik

Wahlannullierung in Istanbul: Parteifreunde kritisieren Erdogan

Ex-Präsident Gül und Ex-Premier Davutoglu wenden sich gegen den Staatschef. Die türkische Opposition will nun auch die Präsidenten- und Parlamentswahl von 2018 annullieren lassen.
Leitartikel

Das brandgefährliche Spiel des starken Mannes von Ankara

Die Wahlannullierung in Istanbul zeigt: Erdoğans zentrales Programm heißt nur noch Machterhalt. Damit treibt er die Spaltung des Landes riskant voran.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.