Ukraine: Weg für Parlamentswahl ist frei

Die Volksvertretung in Kiew beschließt nach heftigen Diskussionen, dass Selenskij am 20. Mai als Staatspräsident angelobt wird.

Moskau/Kiew. Das Tauziehen zwischen Parlament und Präsident in der Ukraine hat vorerst ein Ende: Die Kiewer Rada beschloss am Donnerstag, dass die Amtseinführung des neu gewählten Präsidenten, Wolodymyr Selenskij, am 20. Mai stattfinden soll. Damit scheint der Weg für Neuwahlen geebnet. Selenskij kann wegen gesetzlich vorgesehener Fristen das Parlament nur bis zum 27. Mai auflösen. Er hat mehrmals erklärt, dass er die eigentlich erst für Oktober vorgesehenen Parlamentswahlen früher abhalten will. Die vergangenen von Auseinandersetzungen um seinen Amtsantritt geprägten Wochen dürften ihn in dem Plan bestärkt haben.

Der frisch gewählte Staatschef hatte zuletzt die ukrainischen Parlamentarier scharf angegriffen und ihnen Lügen unterstellt. Auch Noch-Amtsinhaber Petro Poroschenko hatte zu Beginn der Woche vor den Abgeordneten für eine schnelle Amtsübergabe plädiert.

Selenskij, der am 21. April mit klarer Mehrheit zum neuen Staatschef gewählt wurde, hat derzeit keine Hausmacht in der Kiewer Rada. Ohne eine parlamentarische Fraktion ist es nahezu unmöglich, Gesetzesvorschläge durchzubringen. Es wird erwartet, dass seine bisher nur auf dem Papier bestehende Partei, „Diener des Volkes“, bei der nächsten Parlamentswahl erfolgreich abschneidet. Gleichwohl möchte der Präsident nicht zu viel Zeit verlieren.

Keine Zeit zu vergeuden hat offenbar auch Ihor Kolomojskij. Wie am Donnerstag bekannt wurde, kehrte der in Israel lebende Oligarch Mittwochnacht in die Ukraine zurück. Er soll seit zwei Jahren nicht im Land gewesen sein, nachdem er als Gouverneur des Gebiets Dnjepropetrowsk hatte zurücktreten müssen und sich mit der politischen Führung überworfen hatte. Er hatte zunächst in Genf, später in Israel gelebt. Laut Informationen des Journalisten Mihail Tkatsch verließ Kolomojskijs Privatflugzeug den Flughafen Tel Aviv um 2.30 Uhr. Es landete später auf dem Flughafen der Stadt Dnipro, aus der Kolomojskij stammt. Kolomojskij bestätigte später selbst seine Ankunft.

Kolomojskij will Privatbank zurück

Der Geschäftsmann gilt als Förderer Selenskijs. Selenskij erhielt auf Kolomojskijs TV-Kanal 1+1 eine breite Präsenz und positive Berichterstattung im Wahlkampf; auch seine Serien und Shows werden dort gezeigt. Kolomojskij kündigte bereits an, nach der Amtsangelobung Selenskijs in die Ukraine zurückzukehren. Er kämpft um seine unter Poroschenkos Bankenreform nationalisierte, verschuldete Privatbank.

Zuletzt erließen ukrainische Gerichte mehrere Entscheide, die für den Ex-Eigentümer Kolomojskij günstig waren. Kolomojskij scheint darauf zu hoffen, dass er seine Privatbank unter einem Präsidenten Selenskij zurückbekommt. Selenskij selbst hat im Wahlkampf erklärt, dass die Privatbank nicht „reprivatisiert“ werden würde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2019)

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