Polizeirazzia sorgte für Beunruhigung im Norden des Kosovo

Die kosovarische Polizei räumte Lkw-Barrikaden, errichtet von Zivilisten, beiseite.
Die kosovarische Polizei räumte Lkw-Barrikaden, errichtet von Zivilisten, beiseite.(c) APA/AFP/STRINGER (STRINGER)
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Eine Aktion gegen Warenschmuggel und organisierte Kriminalität im vor allem von Serben bewohnten Teil des Kosovos sorgte für Unruhe. Zivilisten errichteten Barrikaden, um die Polizei aufzuhalten.

Eine umfangreiche Polizeiaktion in vier nord-kosovarischen, mehrheitlich von Serben bewohnten Gemeinden hat am Dienstag für große Beunruhigung der lokalen Bevölkerung gesorgt und in Belgrad Alarm ausgelöst. Die Razzia richtete sich gegen organisierte Kriminalität und Waffenschmuggel, wie die kosovarische Polizei erklärte. Serbische Streitkräfte und Polizei wurden in Alarmbereitschaft versetzt.

Nach kosovarischen Medienberichten nahm die Polizei mehrere Dutzend Verdächtige fest, unter ihnen mehrere Polizeibeamte. Laut Krankenhausquellen im Süd-Mitrovica wurden vier Personen verletzt. Zwei Polizisten, die sich ihrer Festnahme widersetzten, sowie zwei Zivilisten kamen mit leichten Verletzungen davon.

Im Nordteil von Kosovska Mitrovica, dem Zentrum des serbisch bevölkerten Landesteils, betätigten serbische Bürger die Sirenen, als sie das Kommando der Sonderpolizei ROSU in der Früh anrücken sahen. Besonders angespannt war die Situation in den frühen Morgenstunden in Zubin Potok, wo die Polizei mit mehreren von der lokalen Bevölkerung aufgebauten Barrikaden konfrontiert war.

Festgenommener mehrerer Staatsbürgerschaften

Bei der Razzia wurden 19 Personen festgenommen, unter ihnen ein lokaler Polizeichef, bestätigte die Polizei in Prishtina am Nachmittag bei einer Pressekonferenz. Unter den Festgenommenen, alle Polizisten, die mittlerweile vom Dienst suspendiert wurden, befinden sich demnach elf Serben und vier Albaner und vier Bosniaken. Der Chefankläger Syle Hoxha bestätigte bei derselben Pressekonferenz, dass die Razzia nach einjährigen Ermittlungen erfolgt sei.

Das Unmik-Büro in Prishtina bestätigte unterdessen, dass sich unter den Festgenommenen auch zwei Mitarbeiter der UNO-Mission befinden würden. Sie seien verletzt ins Krankenhaus eingeliefert worden. Einer von ihnen, ein russischer Staatsbürger, wurde wenig später wieder freigelassen. Der UNMIK-Chef Zahir Tanini rief die kosovarischen Behörden auf, beide Missionsmitarbeiter dringend freizulassen. Er kündigte an, auf "jeglichen Schaden", der Mitarbeitern der Vereinten Nationen zugefügt werde, mit "einem Höchstmaß an diplomatischen und internationalen rechtlichen Schritten" zu reagieren.

Das russische Außenministerium verurteilte die Festnahme als "unerhörten Vorfall", durch den die "provozierende Linie" der Führung des Kosovo erneut sichtbar werde.

Vučić spricht von Einschüterungsversuchen

Der serbische Präsident Aleksandar Vučić erklärte im serbischen Parlament, dass sich unter den Festgenommenen 25 Serben und Bosniaken befänden.

"Das Ganze dient nur dazu, das serbische Volk (im Nordkosovo) einzuschüchtern", erklärte Vučić am Dienstag in Belgrad. Die Serben, die dort viel gewohnt seien, hätten zunehmend Angst. Der kosovarische Ministerpräsident Ramush Haradinaj rief zur Ruhe auf. Er teilte über Twitter mit: "In den nördlichen Gemeinden des Kosovo sind Operationen gegen das Schmuggelwesen und die organisierte Kriminalität im Gang, als Teil unseres Bestrebens, den Rechtsstaat für alle durchzusetzen." Laut Präsident Hashim Thaçiwürde die Razzia dem Wohl aller Bürger dienen. Er forderte die Serben auf, den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität zu unterstützen.

Nato und EU rufen zu Gelassenheit auf

Auch die Nato und die EU forderten Prishtina und Belgrad zur Zurückhaltung auf. Die Polizeiaktion müsse im Einklang mit dem Gesetz durchgeführt werden, sagte EU-Sprecherin Maja Kocijančič. Es gelte auch, entsprechend zu kommunizieren, ergänzte sie laut Belgrader Medienberichten. Ein Sprecher der Nato-geführten Kosovo-Mission KFOR erklärte, dass sie die Situation genau verfolge. Nato-Truppen seien aber nicht in Alarmbereitschaft.

Die Polizeirazzia wurde, wie von offiziellen Stellen in Prishtina bestätigt, auch in den zentral-kosovarischen Gemeinden Skenderaj (Srbica) und Drenas (Glogovac) durchgeführt. Die Polizei habe auf Basis einer entsprechenden gerichtlichen Anordnung nach mehrmonatigen Ermittlungen gehandelt, hieß es. Das Internetportal der Tageszeitung "Koha Ditore" berichtete, dass über die Festgenommenen unterdessen eine 48-stündige Haft verhängt worden sei.

Kosovo hat wenig Konstrolle über den Nordteil

Im Nordteil Mitrovicas und in drei weiteren Gemeinden, die unmittelbar an Serbien grenzen, regieren von Belgrad unterstütze Machtstrukturen mit engen Verbindungen zur Mafia, schreibt die Nachrichtenagentur dpa. Obwohl das Gebiet zum Kosovo gehört, haben die kosovarischen Behörden dort keine entscheidende Präsenz. Maßnahmen zur Strafverfolgung können dort in der Regel nur im Rahmen großangelegter Razzien erfolgen.

Der Kosovo ist heute zu mehr als 90 Prozent von Albanern bewohnt. Die ehemals serbische Provinz hatte sich nach einem bewaffneten Aufstand und mit Hilfe einer Nato-Intervention 1999 von Belgrad abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt. Serbien hat dies nie anerkannt und betrachtet seine ehemalige Provinz weiterhin als eigenes Staatsgebiet. Der von der EU initiierte Normalisierungsdialog zwischen Belgrad und Prishtina steckt seit längerer Zeit fest. Die Regierung in Prishtina hatte im November drastische Zölle für Waren aus Serbien eingeführt, was praktisch zum Stopp des Warenimports aus Serbien führte. Die Verluste für die serbische Wirtschaft würden laut Belgrader Angaben etwa 40 Mio. Euro monatlich betragen.

(APA/dpa)

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