Der Freund-Feind, der "King Bibi" vom Thron stürzte

Avigdor Lieberman
Avigdor LiebermanREUTERS
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In Israel ließ Avigdor Lieberman die Koalitionsgespräche platzen – mit dem Kalkül, das Erbe des Premiers Benjamin Netanjahu anzutreten.

Nichts konnte Avigdor Lieberman umstimmen – kein Appell Benjamin Netanjahus, kein Tweet Donald Trumps, kein noch so reizvolles Lockangebot. Likud-Politiker bedrängten den Chef von Israel Beitenu (Unser Haus Israel), doch in die „rechteste Koalition in der Geschichte Israels“ einzuwilligen. Sie verfolgten ihn bis in sein Büro in der Knesset. Der bullige 60-Jährige, einer der schillerndsten und umstrittensten Figuren der israelischen Politik, schlug indes jeden Kompromiss aus. Er hatte dreist drei Ministerposten gefordert und die schrittweise Einführung eines Militärdiensts auch für ultraorthodoxe Männer, was die ultrareligiösen Parteien nicht akzeptieren konnten.

Liebermans Sturheit überraschte viele, die ein Rechtsbündnis unter Netanjahu nach der Wahl im April für eine beschlossene Sache hielten und die dachten, er wolle nur den Preis für seine Zustimmung hochtreiben. Mit fünf Mandaten hatte seine Partei nur knapp den Einzug ins Parlament geschafft. Ihre Hochblüte als Sammelbecken für die rund eine Million russischstämmigen Einwanderer nach dem Kollaps der Sowjetunion ist vorbei. Die Älteren sterben allmählich aus, die Jungen sind voll in Israels Gesellschaft integriert.

Der langjährige Minister, seit zwei Jahrzehnten ein Fixpunkt der israelischen Politszene, will sich neu positionieren: Er schickt sich an, im Reservoir der säkularen Rechten, der Klientel Netanjahus und seiner Likud-Partei, zu fischen. Jetzt hat der vermeintliche Königsmacher „King Bibi“ mit seiner Taktik auflaufen lassen und einstweilen vom Thron gestürzt.
Nachdem die Verhandlungen geplatzt waren, herrschte böses Blut zwischen den Protagonisten. Es entspann sich ein bizarrer Schlagabtausch. Mit aschfahlem Gesicht warf Netanjahu seinem Rivalen vor, ins linke Lager übergewechselt zu sein. Lieberman wiederum sah sich als Sieger im Machtpoker, und er blieb seinem früheren Mentor nichts schuldig. Er betrachte sich als „natürlichen Partner einer rechten Koalition“, die freilich nicht auf „jüdischem Recht“ basiere, wie er in Anspielung auf die Ultraorthodoxen und ihrer Macht als Zünglein an der Waage sagte. Netanjahu sei ein „Linker“, der einen Persönlichkeitskult betreibe. Mit russischem Akzent und dem charakteristischen rollendem R riet Liebermann den Likud-Leuten wegen Halluzinationen zur Konsultation eines Psychiaters.

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