Russland-Comeback: Ukrainische Abgeordnete boykottieren Europarat

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Die Versammlung des Europarats hob Krim-Sanktionen gegen Moskau auf und ebnete die Rückkehr Russlands in das Gremium. Ukrainische Abgeordnete fechten die Entscheidung an.

Im Europarat hat die Rückkehr der russischen Delegation in die Parlamentarische Versammlung für einen Eklat gesorgt. Er lehne es ab, mit "Kriminellen" in einem Raum zu sitzen, rief der sichtlich aufgebrachte Leiter der ukrainischen Delegation, Wolodymyr Ariew, am Dienstag und verließ den Plenarsaal im Straßburger Europaratsgebäude.

Später teilte er mit, die zwölf Mitglieder der ukrainischen Delegation würden ihre Mitarbeit in der Versammlung aussetzen. Zuvor hatte das parlamentarische Gremium nach neunstündiger Debatte den Weg für eine Rückkehr der Russen geebnet, indem es die 2014 beschlossenen Sanktionen gegen Russland mit deutlicher Mehrheit aufhob - gegen den heftigen Widerstand vor allem der Ukrainer. Der neue ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich "enttäuscht" über das Votum.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sprach hingegen von einem "Sieg des gesunden Menschenverstandes". Das Gremium könne ohne Moskau nicht richtig arbeiten.

Mehrere ukrainische Abgeordnete fochten die Rückkehr der russischen Abgeordneten an. Sie machten unter anderem geltend, dass fünf von ihnen auf schwarzen Listen der EU, der USA und Kanadas stehen. Die Versammlung beauftragte den Geschäftsordnungsausschuss, die Anfechtungen zu überprüfen.

Die 18 russischen Abgeordneten boykottierten die Arbeit der Versammlung, seit diese ihnen im April 2014 die Stimmrechte entzogen hatte. Außerdem wurden die Russen von bestimmten Ämtern und Missionen ausgeschlossen. Die Parlamentarier aus den Europaratsländern reagierten damit auf die völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim.

Keine Beiträge aus Russland mehr

Seither prangerte die Versammlung in Entschließungen immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen auf der Krim, die Moskauer Unterstützung der pro-russischen Rebellen im Osten der Ukraine sowie den Abbau von Demokratie und Pressefreiheit in Russland an. Die Regierung in Moskau zeigte sich von den Mahnungen des Europarats wenig beeindruckt - und im Juni 2017 stellte sie ihre Beitragszahlungen an die Länderorganisation in Höhe von 33 Millionen Euro jährlich ein. Dem Europarat fehlen damit an die neun Prozent seines Jahresbudgets.

Laut Satzung kann ein Land aus dem Europarat ausgeschlossen werden, wenn es zwei Jahre lang keine Beiträge gezahlt hat. Moskau drohte wegen des Dauerstreits seinerseits wiederholt mit einem Austritt. Um dies zu verhindern, hatten die Außenminister der 47 Europaratsländer am 17. Mai bei einem Treffen in Helsinki Zugeständnisse an Moskau gemacht, darunter die Aussicht auf ein Ende der Sanktionen.

Russen können EGMR wieder anrufen

Mit ihrer Zustimmung wollte die Versammlung sicherstellen, dass die russische Delegation rechtzeitig vor der Wahl eines neuen Generalsekretärs des Europarats zurückkehrt - dies war eine der zentralen Forderungen Moskaus. Die Befürworter eines Verbleibs Russlands in der Länderorganisationen machen vor allem geltend, die russischen Bürger sollten weiterhin das Recht haben, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu ziehen.

Der Verbleib Russlands sei eine "gute Nachricht" für die 140 Millionen Menschen in Russland, erklärte Deutschlands Außenminister Heiko Maas (SPD). Sie hätten nun weiter die Möglichkeit, sich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Recht zu verschaffen.

Die Wahl des neuen Generalsekretärs ist am Mittwoch geplant. Ob die zwölf Ukrainer daran teilnehmen, oder die Sitzung boykottieren, war zunächst unklar. Das Mandat des bisherigen Generalsekretärs, Thorbjörn Jagland, geht Ende September zu Ende. Um seine Nachfolge bewerben sich der belgische Außenminister und Vize-Regierungschef Didier Reynders und dessen kroatische Kollegin Marija Pejcinovic Buric.

Der Europarat wurde vor 70 Jahren gegründet - vier Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Von den Gründernationen erhielt er den Auftrag, sich als "Gewissen Europas" für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen. Heute zählt er 47 Mitgliedsländer - alle europäischen Staaten mit Ausnahme Weißrusslands. Der Parlamentarier-Versammlung gehören 318 nationale Abgeordnete aus den Europaratsländern an. Die Versammlung tagt vier Mal jährlich in Straßburg.

Russland und der Europarat

Der Europarat mit Sitz im französischen Straßburg ist eine der größten Staatenorganisationen auf dem europäischen Kontinent. Gegründet vor 70 Jahren, versammelt sie 47 Mitgliedsstaaten - darunter auch Länder, die es mit den Menschenrechten nicht immer ganz genau nehmen, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) dafür aber zur Rechenschaft gezogen werden können. Der Länderzusammenschluss ist die letzte Verbindung Russlands zu einem europäischen Forum.

Als Reaktion auf die Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim hatte die PACE Russland vor fünf Jahren das Stimmrecht und andere Rechte aberkannt. Moskau hatte darauf mit einem Boykott der Versammlung reagiert und keine Delegation mehr geschickt. 2017 stellte Russland außerdem die Beitragszahlungen an den Europarat ein. Die Staatenorganisation versuchte es mit Zugeständnissen, Russland wollte aber sein Stimmrecht zurück. Mit einer Resolution, die am Montag zur Abstimmung stehen soll, bekäme es dieses wiederzugesprochen.

(APA/AFP/dpa)

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