Am G20-Gipfel im japanischen Osaka werden Bruchlinien zwischen den führenden Wirtschaftsnationen deutlich: Egal ob bei Handel, Ideologie oder Klimapolitik. Einer mischt das Treffen besonders auf: US-Präsident Donald Trump.
Donald Trump, Angela Merkel, Jean-Claude Juncker, Wladimir Putin, Xi Jinping - sie alle sind angereist, um sich am G20-Gipfel im japanischen Osaka über die Brennpunkte der Geo- und Handelspolitik zu beraten. Doch schon vor Auftakt des Treffens der Spitzen der führenden Wirtschaftsnationen weltweit wurden am Freitag die ideologischen und politischen Bruchlinien deutlich. So provozierte Russlands Präsident Putin im Vorfeld durch ein Interview mit der "Financial Times". Dort erklärte er die liberalen Werte der westlichen Demokratien für überholt und kritisierte die Flüchtlingspolitik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel.
"Die liberale Idee setzt voraus, dass nichts getan werden muss. Die Migranten können ungestraft töten, plündern, vergewaltigen, weil ja ihre Rechte als Flüchtlinge zu schützen sind. Welche Rechte sind das? Jedes Verbrechen muss bestraft werden", so Putin in dem Interview. Mit seinen Aussagen zog der Kreml-Chef scharfe Kritik von EU-Ratspräsident Donald Tusk auf sich. "Wer immer behauptet, dass die liberale Demokratie überflüssig ist, der behauptet auch, dass Freiheiten überflüssig sind, dass die Rechtsstaatlichkeit überflüssig ist und dass Menschenrechte überflüssig sind", sagte er - und konnte sich auch einen Seitenhieb auf Putin nicht verkneifen. "Was ich wirklich überflüssig finde, sind Autoritarismus, Personenkult und die Herrschaft von Oligarchen", sagte er.
Betont freundschaftlich gegenüber Putin gab sich hingegen US-Präsident Donald Trump - obwohl sich das Verhältnis zwischen Russland und den USA unter seiner Amtszeit eingetrübt hat. Moskau und Washington streiten über den Atomabrüstungsvertrag INF, über die US-Sanktionen wegen der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim, über die Syrien-Politik. Zudem ist die Einmischung Russlands in die US-Präsidentschaftswahl zugunsten Trumps seit mehr als zwei Jahren ein großes Thema in den USA. Eine Untersuchung durch Sonderermittler Robert Mueller hat Einmischungen bestätigt, unklar ist aber, inwiefern Trump und dessen Umfeld verwickelt waren.
Hoffnung auf Treffen zwischen Trump und Xi
Der US-Präsident scheint sich für die kommenden Wahlen darüber keine Gedanken zu machen. Im Gegenteil: Er machte sich bei einem Treffen mit Putin am Rande des G20-Gipfels sogar über eine entsprechende Journalistenfrage lustig. "Mischen Sie sich nicht in die Wahlen ein", sagte er lächelnd und zeigte mit dem Finger auf den russischen Staatschef neben ihm.
Trumps Gedanken sind offenbar woanders: Am Samstag steht ein Treffen mit Chinas Präsident Xi Jinping zum schwelenden Handelskonflikt an. Investoren rund um den Globus hoffen auf Annäherungssignale zwischen den beiden größten Wirtschaftsmächten, die sich seit Monaten mit immer neuen Strafzöllen überziehen. Der US-Präsident wirft China unfaire Handelspraktiken vor, die zu einem riesigen Defizit der Vereinigten Staaten im Warenaustausch führten. Im Mai waren die Verhandlungen ins Stocken geraten. Das Treffen mit Xi soll wieder Schwung in die Gespräche bringen.
Eine Rolle dürfte dabei Huawei spielen. Die US-Regierung hat den chinesischen Netzwerkausrüster auf eine schwarze Liste gesetzt, weil sie fürchtet, die Technologie des Konzerns könnte zur Spionage verwendet werden. Damit ist es US-Firmen untersagt, mit dem chinesischen Unternehmen Geschäfte zu machen. Huawei hat die Vorwürfe zurückgewiesen. "Wir verkaufen Huawei eigentlich ziemlich viele Teile", sagte Trump. "Wir werden das also diskutieren."
Harter Streit in Klimafragen
Auch mit Europa steht Trump in Handelssachen über Kreuz. Doch zwischen der EU und den USA zeichnet sich eine weitere Front ab: der Klimaschutz. Die Europäer tragen den USA nach, dass sie beim vorangegangenen G-20-Gipfel in Buenos Aires die Abschlusserklärung nicht akzeptierten. Darin verpflichteten sich die 19 anderen Teilnehmer dazu, die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens umzusetzen. Das wolle man diesmal nicht durchgehen lassen: Die EU wollten "sehr vehement darauf bestehen, dass man einen solchen Text nicht akzeptieren kann", verlautete es aus dem Umfeld des französischen Präsidenten Emmanuel Macron.
Wegen der großen Differenzen in der Klima- aber auch der Handelspolitik war es am Freitag noch unklar, ob sich die G-20-Länder dieses Mal überhaupt auf eine gemeinsame Abschlusserklärung einigen können. Noch-EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker scheinen solche Dinge aber ohnehin nicht (mehr) zu kümmern: "Ich habe meinen Jetlag ausgenutzt, um ausnahmsweise mal die Abschlusserklärung zu lesen, was ich normalerweise nicht tue", sagte er am Freitag in Osaka. "Ich bin nicht der einzige im Raum, der die Abschlusserklärung nicht liest. In Wahrheit liest niemand Abschlusserklärungen."
Die Unterhändler der Mitgliedstaaten dürften dies anders sehen als der Kommissionspräsident, der sich angesichts des bevorstehenden Endes seiner Amtszeit möglicherweise eine besondere Portion Gelassenheit leisten kann. Sie werden bis zum Schluss in harten Verhandlungsrunden um einen endgültigen Abschlusstext ringen.
>> Interview in der „Financial Times"
(me)