USA: Ein britisches Botschafter-Memo und seine Folgen

Für Kim Darroch, den britischen Botschafter in Washington, ist die US-Regierung „dysfunktional“.
Für Kim Darroch, den britischen Botschafter in Washington, ist die US-Regierung „dysfunktional“.(c) APA/AFP/GETTY IMAGES/PAUL MORIGI
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Kim Darroch, britischer Botschafter in Washington, nannte die US-Regierung von Donald Trump in einer Depesche „tollpatschig und ungeschickt“. Washington und London spielen die Affäre herunter.

New York. Donald Trump und Kim Darroch mögen einander nicht, das war schon nach der US-Wahl im November 2016 offensichtlich. Es sei ein Leichtes, die frisch gewählte Regierung in Washington zu beeinflussen, ließ der britische Botschafter seine Chefs in London wissen. Trump wiederum bat Großbritannien per Twitter, den Diplomaten umgehend auszutauschen. Nigel Farage, damals ein enger Vertrauter Trumps und heute Chef der Brexit-Partei, solle das Amt übernehmen.

London ließ Darroch im Amt und nun droht den eigentlich eng verbundenen Nationen eine veritable diplomatische Krise zum ungünstigsten Zeitpunkt. Die „Mail on Sunday“ publizierte mehrere Depeschen, die der Botschafter in seine Heimat sandte: „Wir glauben nicht daran, dass diese Administration wesentlich normaler wird; weniger dysfunktional; weniger unvorhersehbar“, heißt es darin etwa. Und weiter: Das Weiße Haus agiere „tollpatschig und ungeschickt“. Da war Schadensbegrenzung angesagt, und selbst der von dem Diplomaten angegriffene Trump gab sich verhältnismäßig zurückhaltend. Er sei „kein großer Fan“ von Darroch, dieser würde London „nicht gut dienen”, sagte Trump am späten Sonntag vor seiner Rückkehr von einem Wochenendtrip von seinem Golfressort in New Jersey.

Der befürchtete Frontalangriff gegen die Regierung in London blieb bisher aus. Die Wogen sind zumindest vorläufig nicht hochgegangen, zumal auch aus der Downing Street besänftigende Worte kamen. „Derartige Ansichten decken sich nicht notwendigerweise mit jener der Minister beziehungsweise der Regierung“, ließ ein Sprecher von Premierministerin Theresa May verlauten. Trotzdem: Ein Abzug Darrochs stand zunächst nicht zur Debatte.

„Es ist ein sehr wichtiger Teil der Arbeit von Botschaftern, freimütige Meinungen darüber zu äußern, was in ihren Ländern vorgeht. Insofern hat unser Botschafter einfach nur seinen Job getan,“ sagte Außenminister Jeremy Hunt. Einzig Nigel Farage forderte die umgehende Entlassung des Diplomaten.

Es ist im Sinne aller Betroffenen, eine weitere Eskalation zu vermeiden. London braucht die USA. Der EU-Austritt ist für den Herbst geplant. Großbritannien wäre gut beraten, alles daran zu setzen, um ein Freihandelsabkommen mit der weltgrößten Volkswirtschaft abzuschließen und so seine Verhandlungsmacht gegenüber Brüssel zu erhöhen. Der britische Handelsminister, Liam Fox, der sich gerade in Washington befindet, wollte sich bei einem geplanten Treffen mit Trumps Tochter und Beraterin, Ivanka, für die an die Öffentlichkeit gelangten Depeschen Darrochs entschuldigen. Washington wiederum arbeitet momentan an genügend internationalen Baustellen, ein Konflikt mit London käme ungelegen. Trump will das Thema Darroch daher auch rasch beenden. "Wir werden uns nicht mehr mit ihm befassen", schrieb Trump am Montag auf Twitter. Er kenne den Botschafter nicht, konstatiert aber, dass er nicht sehr beliebt sei.

In Handelsfragen streitet die Regierung Trump unter anderem mit China und der EU. Entsprechend wäre auch für die USA die Aussicht auf ein Abkommen mit London ein wichtiges Ass im Verhandlungspoker.

Auf der Suche nach dem Maulwurf

Nicht nur das: Großbritannien ist der fünftwichtigste Exportmarkt für die USA. Eine diplomatische Eiszeit würde die US-Konjunktur möglicherweise einbremsen. Das will Trump etwas mehr als ein Jahr vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen mit allen Mitteln vermeiden.

Und so konzentrierte sich London am Montag bereits auf die Suche nach den Maulwürfen, die die Memos der „Mail on Sunday“ zugespielt haben. Außenminister Hunt versprach eine baldige Aufklärung, mit „sehr ernsten Konsequenzen“ für die Verantwortlichen. Der diplomatische Dienst müsse darauf vertrauen können, dass geheime Depeschen auch geheim blieben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2019)

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