Kassel: 10.000 Gegendemonstranten empfangen 120 Rechte

Kassel Kundgebung und Demonstration Kassel nimmt Platz No Pasaran Kundgebung und Demonstration am
Kassel Kundgebung und Demonstration Kassel nimmt Platz No Pasaran Kundgebung und Demonstration amimago images / Eibner
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Rechtsextreme marschierten in Kassel auf, um gegen eine "Instrumentalisierung" des Verbrechens an Walter Lübcke zu protestiere.

Rund 10.000 Menschen haben am Samstag in Kassel gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremen demonstriert. Die Kundgebung der Rechten fiel wesentlich kleiner aus, rund 120 von ihnen versammelten sich auf einem Platz außerhalb der Innenstadt. Sie protestierten gegen eine angebliche mediale Vorverurteilung im Zusammenhang mit der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.

Trotz eines Großaufgebotes der Polizei kamen sich Rechtsextreme und Gegendemonstranten zeitweise bis auf wenige Meter nahe. Flaschen flogen, es gab Gerangel mit Einsatzkräften. Laut Polizei wurden 31 Personen zeitweise fest- oder in Gewahrsam genommen.

Seit den Morgenstunden war die nordhessische Stadt in einer Art Ausnahmezustand: Busse und Bahnen hatten in der Innenstadt den Betrieb eingestellt. Die Polizei kontrollierte an Bahnhöfen, Teile der Stadt waren gesperrt. Das Stadtbild beherrschten die Gegendemonstranten, ein Bündnis gegen Rechts hatte zu zahlreichen Veranstaltungen aufgerufen und zog bereits vor Ankunft der Rechten mit 3.000 Menschen durch Kassel.

Sie trugen T-Shirts und Schilder mit Sprüchen wie "Menschenrechte statt rechte Menschen" oder "Nazis nerven mehr als Wespen". Einige hielten sich auch Porträtfotos des erschossenen Walter Lübcke vor das Gesicht. Gegen Mittag wuchs die Zahl der Teilnehmer nach Polizeiangaben auf 10.000.

Den Ort der rechten Demonstration auf der anderen Seite der Fulda hatte die Polizei komplett abgesperrt. Mit knapp zweistündiger Verspätung begann dort die Versammlung der Rechtsextremen, die gegen eine angebliche Instrumentalisierung des Mordes an Kassels Regierungspräsident demonstrierten. Aufgerufen dazu hatte die Kleinstpartei "Die Rechte". Walter Lübcke war am 2. Juni in seinem Haus im Landkreis Kassel erschossen worden. Der Generalbundesanwalt geht von einem rechtsextremen Hintergrund aus. Der 45-jährige Stephan E. hatte die Tat gestanden und dann sein Geständnis widerrufen.

31 Festnahmen

Die Rechtsextremen zogen durch mehrere Straßen. An zwei Stellen kamen sie und die Gegendemonstranten sich bis auf wenige Meter nahe. Die Polizei meldete, dass 31 Personen fest- oder in Gewahrsam genommen worden seien. Unter anderem gab es Verstöße gegen das Vermummungsverbot und das Waffengesetz, einmal wurden verfassungswidrige Symbole gezeigt. Verletzte habe es nicht gegeben.

Bundesjustizministerin (SPD) Christine Lambrecht kritisierte den rechten Aufmarsch: "Es ist widerlich und scheinheilig, wenn ausgerechnet die, die den Hass schüren, nun wenige Wochen nach diesem unfassbaren Verbrechen durch Kassel marschieren." Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) erklärte anlässlich des 75. Jahrestages des Attentats auf Adolf Hitler: "Der politisch motivierte Mord an Walter Lübcke zeigt, wie wichtig Zivilcourage und der Kampf gegen Hass und Hetze heute nach wie vor sind."

Maas: Deutschland hat ein Problem mit rechtem Terror

In Hessen hat Außenminister Heiko Maas (SPD) zum Zusammenhalt gegen Feinde der Demokratie aufgerufen. "Wenn Rechtsradikale sich heute als 'nationaler Widerstand' bezeichnen, wenn sie auf ihren Demos die Symbole der Widerstandskämpfer von 1944 bei sich tragen, dann verletzen und beleidigen sie das Andenken an Männer wie Adam von Trott", sagte Maas am Samstag. Bei einer Gedenkfeier zur Erinnerung an den 75. Jahrestag des gescheiterten Hitler-Attentats im hessischen Bebra-Imshausen betonte Maas: "Dann ist es an uns, laut und deutlich 'Es reicht!' zu sagen."

Auf verrohte Sprache folgten rohe Taten, sagte Maas und erinnerte an den ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. "Der Tod von Walter Lübcke ist eine Zäsur, weil er mitten ins Herz unserer Demokratie zielt", sagte der Außenminister. "Und er macht deutlich: Deutschland hat ein Problem mit rechtem Terror." Anders als zur Zeit des Widerstands gegen den Nationalsozialismus seien heute die Demokraten in der Mehrheit. "Doch diese Mehrheit ist in Gefahr, wenn sie die Verrohung, die Grenzüberschreitungen, die Gewalt wortlos hinnimmt."

(APA/dpa)

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