Johnsons Gegner setzen sich ab

Auf dem Weg aus der Regierung. Schatzkanzler Hammond hat angekündigt, nicht für einen Premier Johnson zu arbeiten.
Auf dem Weg aus der Regierung. Schatzkanzler Hammond hat angekündigt, nicht für einen Premier Johnson zu arbeiten.REUTERS
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Statt unter Premier Johnson zu dienen, wollen Schatzkanzler Hammond und Justizminister Gauke im Parlament einen No Deal verhindern.

London. Der Machtwechsel in London wirft seinen Schatten voraus. Mit Schatzkanzler Philip Hammond und Justizminister David Gauke kündigten zwei politische Schwergewichte an, nicht unter dem erwarteten neuen Premierminister Boris Johnson dienen zu wollen. „Ich kann dieser Position unter keinen Umständen zustimmen“, bekräftigte Hammond gestern, Sonntag, seine Haltung gegen Johnsons Streben nach einem No-Deal-Brexit zum 31. Oktober, „hart auf hart und zu allen Kosten“.

Hammond kündigte an, nach der Rückkehr ins Parlament an einer Verhinderung eines EU-Austritts ohne Abkommen arbeiten zu wollen: „Ich bin zuversichtlich, dass es dafür Wege im Parlament geben wird. Und ich habe die Absicht, sicherzustellen, dass das Parlament seine Macht dafür einsetzt, die Regierung daran zu hindern.“ Er schloss auch nicht aus, notfalls ein Misstrauensvotum gegen die eigene Regierung zu unterstützen, meinte aber: „Ich glaube nicht, dass es dazu kommen wird.“

Nur sehr knappe Mehrheit

Die Konservativen führen derzeit eine Minderheitsregierung, die selbst mit Duldung der nordirischen DUP nur mehr drei Mandate Mehrheit mobilisieren kann. In einer Nachwahl im August wird mit dem Verlust eines weiteren Sitzes gerechnet. In der Vorwoche stimmten 41 Abgeordnete gegen eine Zwangsbeurlaubung des Unterhauses durch die Regierung in einer kritischen Phase des Brexit.

Schon vor den ersten Rücktrittsankündigungen schwirrten durch London in hochsommerlicher Hitze Gerüchte über die „umfassendste Regierungsumbildung aller Zeiten“ nach der für Mittwochnachmittag erwarteten Ernennung von Johnson zum Premierminister. So soll der ehemalige Brexit-Minister David Davis Schatzkanzler oder Außenminister werden, Innenministerin könnte die ehemalige Entwicklungshilfeministerin Priti Patel werden, während Ex-Parteichef Iain Duncan Smith als Fraktionschef ein Comeback feiern soll. Alle drei sind Vertreter der alten Garde und glühende Brexit-Anhänger.

Seine Rivalen, Michael Gove und Jeremy Hunt, will Johnson angeblich in der Regierung halten, allerdings in deutlich abgewerteten Posten. So soll Gove, dem selbst Gegner eine erfolgreiche Amtsführung als Umweltminister attestierten, zwischen Pest in Form des Wohnbauministeriums oder Cholera in Form des Nordirland-Portfolios wählen dürfen. Von Außenminister Hunt wird nach seiner wohl bevorstehenden Niederlage gegen Johnson ein Rückzugsangebot erwartet.

Unterdessen haben führende EU-Staaten aus Angst vor einem harten Brexit Signale für eine Verlängerung der Austrittsfrist nach London gesandt. „Wir würden von einer technischen Verzögerung sprechen, um Johnson politische Peinlichkeiten zu ersparen, aber damit würden wir Zeit für eine Vereinbarung gewinnen“, erklärte ein hoher Diplomat dem „Guardian“. Hammond betonte: „Ein ehrliches Bemühen um einen neuen Deal braucht etwas mehr Zeit.“

„Das ist Erpressung“

Neben den diplomatischen Bemühungen richtete sich der irische Außenminister, Simon Coveney, öffentlich an die britische Führung: „Der Wechsel der Persönlichkeit in der Downing Street ändert nichts an den Fakten und der Komplexität des Brexit“, schrieb er in der „Sunday Times“. Während er bekräftigte, dass es keine Neuverhandlungen des vorliegenden Brexit-Deals mit der Europäischen Union geben könne, betonte er: „Wir wollen zu einer gemeinsamen Lösung finden.“ Die radikale Position Johnsons und der Brexit-Hardliner verglich er offen mit Erpressung: „Das ist so, wie wenn jemand sagt: Gib mir, was ich will, oder ich zünde das Haus an, in dem wir alle gemeinsam leben.“

Neben dem großen politischen Sesselrücken sorgte auch neues Mobiliar für die Downing Street für Aufsehen. Obwohl er allein im Vorjahr mehr als 830.000 Pfund verdient hat, habe Johnson bereits neue Inneneinrichtung auf Kosten des Steuerzahlers beantragt, empörte sich die Zeitung „Mail on Sunday“. Das gemeinsame Heim mit Frau Marina und vier Kindern musste Johnson verlassen, und die aktuelle Lebensgefährtin, Carrie Symonds, will ihre Möbel nicht zur Verfügung stellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2019)

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