Hongkonger Demonstranten bringen Flughafen erneut zum Erliegen

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Die Proteste sorgten für „Panik und Chaos“ in Hongkong, kritisiert Regierungschefin Carrie Lam. Die Polizei drang am Abend in den Flughafen, Tränengas kam zum Einsatz.

Zum fünften Tag in Folge versammelten sich am Dienstag regierungskritische Demonstranten am Hongkonger Flughafen, einer der wichtigsten Drehschreiben Südostasiens. Tausende in schwarz gekleidete Menschen bildeten in dem Gebäude eine Menschenkette, versperrten Passagieren die Zugänge zu den Abflugbereichen und blockierten die Aufzüge mit Gepäckwägen. Am Abend griff die Polizei ein. Dutzende Beamte drangen in den besetzten Airport. Demonstranten begannen, Barrikaden an einer Eingangsrampe zu errichten. Kurz darauf zogen sich die Polizisten zunächst wieder zurück. 

Die Sicherheitskräfte setzten Pfefferspray ein, wie ein Reuters-Reporter beobachtete. Einige Demonstranten versuchten, einem Polizeifahrzeug die Zufahrt zum Flughafen zu versperren, dabei kam es zu Rangeleien. In der Nacht beruhigte sich die Lage. Die meisten Aktivisten waren nach Hause gegangen. Auf dem Flughafen konnten wieder Flugzeuge landen.

Flughafenbetrieb massiv beeinträchtigt

Der Betrieb des Flughafens sei am Dienstag „ernsthaft gestört“ worden, hieß es auf der Webseite des Flughafens. Alle Check-ins wurden ausgesetzt. Wie viele Abflüge gestrichen wurden und ob auch ankommende Maschinen betroffen seien, war vorerst nicht bekannt. Schon am Montag waren Hunderte Flugzeuge auf dem Boden geblieben, nachdem der Flughafenbetreiber in einem beispiellosen Schritt am Nachmittag alle Flüge gestrichen hatte.

Die Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungszone begannen vor zwei Monaten. Sie richteten sich zunächst gegen ein umstrittenes Gesetz für eine Auslieferung Beschuldigter an China, das mittlerweile auf Eis liegt. Die Demonstranten haben sich aber inzwischen auf Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam eingeschossen. Sie werfen ihr eine zu große Nähe zu China vor und fordern ihren Rücktritt. Denn viele Menschen befürchten einen zunehmenden Einfluss Pekings auf das Leben in der Finanzmetropole und fordern demokratische Reformen.

Zudem verlangen die Aktivisten eine Verurteilung des harschen Vorgehens der Sicherheitsbehörden. Denn zuletzt wurden die Proteste brutaler - immer öfter kam es zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Aktivisten.

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Peking verurteilt „aufkeimenden Terrorismus“

Mit der zunehmenden Gewalt schaukelt sich auch die Rhetorik immer weiter hoch. Das zum chinesischen Staatsrat gehörende Büro für die Angelegenheiten von Hongkong und Macao, die wichtigste für die Hafenstadt zuständige Behörde in der Volksrepublik, sprach am Dienstag von einem „aufkeimenden Terrorismus“ unter den Demonstranten, die die Polizei mit „extrem gefährlichen Werkzeugen“ attackierten.

Auch Regierungschefin Carrie Lam wählte nach der Flughafen-Besetzung scharfe Worte. Die Gewalt habe Hongkong in „Panik und Chaos“ gestürzt. „Hongkong als offene, freie, sehr tolerante, wirtschaftlich stabile Stadt wird schwere Wunden davontragen“, ergänzte sie und stellte sich hinter die Polizei. Die Ordnungshüter hätten in den vergangenen zwei Monaten „große Schwierigkeiten gehabt, das Gesetz durchzusetzen“.

Dennoch beteuerte sie: Regierung und Polizei in der ehemaligen, chinesischen Kronkolonie seien in der Lage, die politische Krise zu lösen. Diese Beschwichtigung galt wohl nicht nur der eigenen Bevölkerung, sondern war auch an die Zentralregierung in Peking gerichtet. Mit den lautstarken Drohgebärden wollen die festlandchinesischen Behörden und Staatsmedien einerseits die Demonstranten zum Einlenken bewegen, andererseits den Druck auf die Lokalregierung, die Proteste zu beenden, erhöhen.

Truppenübungen an der Grenze

In diesem Zusammenhang könnte auch die Militärübung zu sehen sein, die die Volksbefreiungsarmee am Dienstag in Shenzhen an der Grenze zu Hongkong durchführte. 12.000 Einsatzkräfte nahmen an der Übung teil, die offiziell mit Blick auf die Feierlichkeiten zum 70. Gründungsjubiläum der chinesischen Volksrepublik im Oktober abgehalten worden war. Allerdings war auf Videoaufnahmen zu sehen, wie die Einsatzkräfte mit Masken und Helmen ausgestattete "Demonstranten" niederringen - eine Ausstattung, wie sie die Demonstranten in Hongkong tragen.

Die chinesische Polizei darf in der Sonderverwaltungszone nicht eingreifen. Allerdings kann die Zentralregierung die Hongkonger Gesetze im Falle eines "Kriegszustands" oder "Aufruhrs", der "die nationale Sicherheit oder Einheit gefährdet", außer Kraft setzen.

Unterstützung bekamen die Demonstranten nun vom UN-Menschenrechtsbüro in Genf: Die Polizei habe bei den Demonstrationen das Leben von Protestteilnehmern gefährdet. Es gebe glaubwürdige Beweise, dass Sicherheitskräfte zum Beispiel mehrfach Tränengaskanister direkt auf Demonstranten abgefeuert hätten, teilte das Büro am Dienstag mit. Das berge "erhebliches Risiko von Todesfällen und ernsthaften Verletzungen".

(red.)

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