Renzi will "No Tax"-Regierung, Salvini warnt vor mehr Migranten

Matteo Renzi sieht in der aktuellen italienischen Regierungskrise eine Chance für die Sozialdemokraten, doch seine Partei ist skeptisch.
Matteo Renzi sieht in der aktuellen italienischen Regierungskrise eine Chance für die Sozialdemokraten, doch seine Partei ist skeptisch.REUTERS
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Der Sozialdemokrat Renzi sucht eine Allianz der Salvini-Gegner. Der Innenminister - er hofft auf Neuwahlen - warnt vor einer Wende in der Migrationspolitik.

Italiens sozialdemokratischer Ex-Premier Matteo Renzi hat am Dienstag einen Appell an die im Parlament vertretenen Parteien für die Bildung eines Übergangskabinetts gerichtet. Italien brauche eine "No Tax"-Regierung, die den Haushaltsplan für 2020 verabschiede und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer im kommenden Jahr abwende.

Eine höhere Mehrwertsteuer wäre ein "Desaster" für Italien, da sie die Wirtschaft wieder in die Rezession stürzen würde, sagte Renzi vor Journalisten. Die höhere Mehrwertsteuer gilt als Einlösung von Garantien gegenüber der Europäischen Union. Wenn nicht zwölf Milliarden Euro an Zusatzeinnahmen oder Ausgabenkürzungen für den Haushalt 2020 zur Verfügung gestellt werden, erhöht sich der volle Mehrwertsteuersatz automatisch von derzeit 22 auf dann 24,2 Prozent, der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von zehn auf 11,5 Prozent.

Laut Renzi habe Italien die Möglichkeit, eine neue politische Seite in der Geschichte des Landes zu schreiben. Er forderte den sofortigen Rücktritt von Innenminister und Vizepremier Matteo Salvini, der die Regierungskrise ausgelöst hat. Renzi betonte, dass die Regierung aus Lega und Fünf Sterne-Bewegung, die sich als "Kabinett des Wandels" bezeichnet hatte, gescheitert sei. Salvini, der sich als unbesiegbar dargestellt hätte, habe eine Regierungskrise ausgelöst, die sogar für seine engsten Vertrauten unbegreiflich sei. Der Lega-Chef werde für seinen Entschluss, die Regierung zu stürzen, einen hohen politischen Preis zahlen, sagte Renzi.

Salvini wiederum wehrt sich heftig gegen den Vorschlag Renzis, eine Übergangsregierung zu bilden und will so rasch wie möglich Neuwahlen. Die Lega hatte den Misstrauensantrag gegen den parteilosen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte am Freitag eingebracht. Spricht der Senat Conte sein Misstrauen aus, muss der Regierungschef seinen Rücktritt einreichen. Präsident Sergio Mattarella muss dann entscheiden, ob er das Parlament auflöst oder eine Übergangsregierung nominiert.

Salvini prophezeit Zunahme an Migranten im Land

Salvini hat am Dienstag außerdem vor einer Wende in der Migrationspolitik seines Landes gewarnt, sollte es zu einem Übergangskabinett aus Sozialdemokraten und der populistischen Fünf Sterne-Bewegung kommen. Es drohe eine Zunahme der Migrantenankünfte, warnte Salvini per Facebook.

"Ich hoffe, dass die Fünf Sterne-Bewegung keine Regierung mit (Ex-Premier Matteo) Renzi bildet. Sonst würde es in Italien wieder wie in den vergangenen Jahren, als die Sozialdemokraten regierten, zu 500.000 Migrantenankünften pro Jahr kommen", so der 46-jährige Salvini.

Er arbeite daran, die Landung der über 500 Migranten zu verhindern, die sich derzeit an Bord der Rettungsschiffe "Open Arms" und "Ocean Viking" befinden, sagte Salvini. Beiden Schiffen sei die Landung in Italien verboten.

Salvini verfolgt seit seinem Amtsantritt als Innenminister und Vizepremier im Juni 2018 eine strenge Einwanderungspolitik und hat privaten Rettungsschiffen die Einfahrt mit geretteten Bootsflüchtlingen in italienische Häfen untersagt. Das italienische Parlament billigte vergangene Woche ein Sicherheitsdekret, das eine Konfiszierung von Rettungsschiffen von Hilfsorganisationen sowie Geldstrafen von bis zu einer Million Euro für deren Kapitäne vorsieht. Wer sich dem Versuch der italienischen Sicherheitskräfte zum Stopp von Rettungsschiffen widersetzt, kann mit einer Strafe von bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden.

(APA)

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