Lage in Nordsyrien spitzt sich wegen türkischen Militärkonvois zu

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Die syrische Führung wirft der Türkei vor, "terroristische Gruppen" zu unterstützen. Drei Zivilisten wurden bei russischen Luftangriffen getötet.

Mit dem Vordringen eines türkischen Militärkonvois in den Nordwesten Syriens hat sich die Lage in der Region weiter zugespitzt. Die syrische Führung zeigte sich am Montag verärgert über das Vorgehen Ankaras und warf der Türkei vor, "terroristische Gruppen" zu unterstützen.

Das türkische Verteidigungsministerium verurteilte "aufs Schärfste" Luftangriffe auf den Konvoi, bei denen drei Zivilisten getötet worden seien. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron rief zum Einhalten der Waffenruhe in der Provinz Idlib auf.

Der türkische Konvoi sei "mit Munition beladen" auf dem Weg nach Khan Sheikhoun in der Provinz Idlib, kritisierte ein Vertreter des syrischen Außenministeriums, der von der staatlichen Nachrichtenagentur Sana zitiert wurde. Dies belege "ein weiteres Mal" die "Unterstützung terroristischer Gruppen" durch die Türkei.

Konvoi aus 50 Militärfahrzeugen

Der türkische Konvoi kam am Montagnachmittag im Dorf Maar Hattat, das nördlich von Khan Sheikhoun an der Aleppo-Damaskus-Fernstraße liegt, zum Stehen. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP zählte rund 50 Militärfahrzeuge, darunter Truppentransporter und mindestens fünf Panzer. Kriegsflugzeuge und mit Maschinengewehren ausgerüstete Hubschrauber griffen demnach Ziele in der Umgebung an.

Nach Informationen der in Großbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte versuchten syrische und russische Militärjets, mit Luftangriffen die Weiterfahrt des Militärkonvois zu verhindern.

Dem türkischen Verteidigungsministerium zufolge wurden bei einem Luftangriff auf den Militärkonvoi drei Zivilisten getötet und zwölf weitere verletzt. "Trotz wiederholter Warnungen, die wir gegen die russischen Behörden ausgesprochen haben, gehen die Militäraktionen der Regime-Truppen in der Region Idlib weiter, in Verletzung der bestehenden Memoranden und Vereinbarungen mit Russland", erklärte Ankara.

Bei einem Angriff auf ein Vorauskommando aufständischer syrischer Einheiten sei ein Mitglied der Gruppierung Failaq al-Sham getötet worden, hieß es in einer Erklärung der Beobachtungsstelle.

Regierungstreue syrische Truppen waren am Sonntag erstmals seit fünf Jahren in die Stadt Khan Sheikhoun eingedrungen. Khan Sheikhoun liegt an einer Hauptverkehrsstraße in der von Dschihadisten kontrollierten Region. Sie verbindet die Hauptstadt Damaskus mit der Stadt Aleppo, die seit 2016 wieder unter Regierungskontrolle ist.

In Khan Sheikhoun sei am Montag weiter gekämpft worden, erklärte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman. Dabei standen sich regierungstreue Truppen einerseits und Jihadisten sowie andere Rebellengruppen andererseits gegenüber. Die Beobachtungsstelle verfügt über ein Netzwerk von Informanten in Syrien. Ihre Angaben sind von unabhängiger Seite kaum zu überprüfen.

Knapp zehn Kilometer südlich von Khan Sheikhoun liegt die Stadt Morek, in der sich ein wichtiger türkischer Beobachtungsposten befindet. Ein Sprecher der Rebellengruppe Nationale Befreiungsfront sagte AFP, die "türkische Verstärkung" sei auf dem Weg dorthin. Dafür müsste der Konvoi durch Khan Sheikhoun fahren.

Macron erinnert an vereinbarte Waffenruhe

Frankreichs Präsident Macron forderte unterdessen Damaskus und Moskau dazu auf, die Waffenruhe in Idlib zu achten. Es sei "zwingend" notwendig, dass die im September im russischen Sotschi getroffene Vereinbarung eingehalten werde, sagte er dem russischen Staatschef Wladimir Putin bei einem Treffen im südfranzösischen Bregancon. Putin hob hervor, Russland unterstütze die syrische Armee im Kampf gegen "Terroristen".

In Idlib und angrenzenden Regionen gilt seit knapp einem Jahr eigentlich eine Waffenruhe. Die Truppen von Syriens Machthaber Bashar al-Assad und ihr Verbündeter Russland gehen seit Ende April aber wieder verstärkt gegen die Rebellen und Dschihadisten vor. Dabei wurden laut Beobachtungsstelle bereits mehr als 860 Zivilisten getötet. Etwa 400.000 Menschen wurden nach UN-Angaben durch die Kämpfe vertrieben.

(APA/AFP)

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