PD-Chef Zingaretti stellt jedoch Bedingungen. Es gehe ihm nicht um ein Bündnis um jeden Preis.
Zwei Tage nach dem Rücktritt von Premier Giovanni Conte sind in Italien die politischen Konsultationen der Parteien mit Präsident Sergio Mattarella am Donnerstag in die entscheidende Phase getreten. Die Sozialdemokraten (PD) prüfen ein Regierungsbündnis mit den Fünf Sternen, suchten eine Zusammenarbeit allerdings nicht "um jeden Preis", sagte PD-Chef Nicola Zingaretti nach den Beratungen.
"Wir haben beim Präsidenten unseren Willen bekräftigt, für eine neue politische Phase in Italien zu arbeiten", sagte der im März zum PD-Chef gewählte Zingaretti, der als wesentliche Bedingung Loyalität gegenüber der EU fordert. Gleichzeitig räumte er eine gewisse "politische Distanz" seiner Partei zur Fünf Sterne-Bewegung ein, die in den vergangenen 14 Monaten mit der rechtspopulistischen Lega regiert hatte. Dennoch sei er bereit, die Möglichkeit eines Regierungsbündnisses zu prüfen, sollten aber die Bedingungen für eine "Regierung der Wende" nicht vorhanden sein, sei der "Partito Democratico" zu vorgezogenen Parlamentswahlen bereit, so Zingaretti.
Der PD-Chef hatte bereits am Mittwoch Bedingungen für eine mögliche Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung formuliert - darunter eine klare Kehrtwende in der Einwanderungspolitik, bei der Europa eine wichtige Rolle spielen soll, eine Verlagerung der Wirtschafts- und Sozialpolitik hin zu mehr Umverteilung und Investitionen sowie Transparenz bei den Verhandlungen über eine mögliche Koalition.
Berlusconi als Beobachter
Die Gespräche für eine Regierung aus PD und Fünf Sterne werden von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi, Chef der rechtskonservativen Forza Italia, mit Argusaugen beobachtet. Bei Konsultationen mit Mattarella warnte Berlusconi vor einem Linksruck in Italien. Eine solche politische Wende wäre ein "Verrat" gegenüber der italienischen Wählerschaft und außerdem unternehmerfeindlich, so Berlusconi. Eine Regierung aus Sozialdemokraten und Fünf Sterne-Bewegung wäre ein Bündnis politischer Kräfte, die sich bisher heftig bekämpft hätten.
Berlusconi sprach sich wenig überraschend für die Bildung einer Regierung aus Mitte-Rechts-Parteien aus. Eine solche Allianz regiere bereits in mehreren italienischen Regionen und Städten mit Erfolg. Sollte eine Mitte-Rechts-Koalition seiner Forza Italia, der Lega und der postfaschistischen Partei Brüder Italiens (Fratelli d'Italia) nicht gelingen, wären Neuwahlen der einzige Ausweg aus der Krise. Die drei Rechtsparteien verfügen derzeit über keine Mehrheit im Parlament.
Erstmals Frau als Ministerpräsidentin?
Die Lega von Innenminister Matteo Salvini bemüht sich unterdessen die Neuauflage ihrer Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung ins Spiel zu bringen. Salvini warnte vor Plänen der PD, seinen rigorosen Einwanderungskurs zu lockern und Reformen abzuschaffen, die die Lega in ihren 14 Monaten Regierung durchsetzt habe. Ein Abkommen gegen die Lega zur Fortsetzung der Legislaturperiode wäre laut Salvini gegenüber der italienischen Wählerschaft "respektlos", die sich bei den letzten EU-Parlamentswahlen klar für die Lega und gegen die PD ausgesprochen habe.
"Kontakte zwischen der Lega und Vertretern der Fünf Sterne-Bewegung sind noch im Gange. Unsere Türe ist noch offen", sagte auch Landwirtschaftsminister Gian Marco Centinaio, ein Vertrauensmann Salvinis, in einem Interview mit der Tageszeitung "Il Mattino" (Donnerstag). Salvini hatte die Regierungskoalition mit einem Misstrauensantrag gegen den am Dienstag zurückgetretenen Conte gesprengt und rasche Neuwahlen angestrebt.
Unterdessen wird die Forderung, erstmals in der italienischen Geschichte eine Frau zur Ministerpräsidentin zu ernennen, immer lauter. Als Kandidatin gilt Marta Cartabia, parteiunabhängige Verfassungsrichterin seit 2011 und Vizepräsidentin des Verfassungsgerichts seit 2014. Valerio Onida, emeritierter Präsident des Verfassungsgerichts, meinte, wie bereits in Österreich mit Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein könnte auch in Italien eine Verfassungsrichterin zur Premierministerin aufrücken.
Mattarella beendet am Donnerstagabend die zweitägigen Konsultationen. Am Donnerstagnachmittag sind noch Gespräche mit den Delegationen der Regierungsparteien Lega und Fünf Sterne geplant. Danach muss er über das weitere Vorgehen entscheiden.
(APA)