Russland-Wahlen: Kreml-Partei muss in Hauptstadt starke Verluste hinnehmen

Kommunal- und Regionalwahlen
Kommunal- und Regionalwahlen APA/AFP/OLGA MALTSEVA
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Die Partei von Präsident Wladimir Putin bleibt in Regionen und Kommunen führende Kraft. Unabhängige Wahlbeobachter sprechen von landesweiten Manipulationsversuchen.

Nach den größten regierungskritischen Massenprotesten in Russland seit Jahren haben sowohl der Kreml als auch die Opposition den Ausgang der Kommunal- und Regionalwahlen für sich als Erfolg gewertet. Die regierende Partei Einiges Russland von Präsident Wladimir Putin verteidigte zwar in den meisten Regionen ihre Mehrheit der Abgeordnetenmandate.

Gleichzeitig verlor sie jedoch in der Hauptstadt Moskau massiv und konnte sich nur noch 25 der 45 Sitze im Stadtparlament sichern. Die unabhängigen Wahlbeobachter von der Menschenrechtsorganisation Golos berichteten von Hunderten Meldungen über Manipulationsversuche im ganzen Land, und vor allem von Behinderungen ihrer Arbeit. Zudem waren zahlreiche Oppositionspolitiker bereits im Vorfeld von der Abstimmung ausgeschlossen worden.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte am Montag, der Wahlkampf sei für Einiges Russland sehr erfolgreich verlaufen. "Im ganzen Land hat die Partei ihre politische Führung gezeigt", sagte der Vertraute von Präsident Putin der Agentur Interfax zufolge. Auch Partei- und Regierungschef Dmitri Medwedew betonte, Einiges Russland hätte seine Führungsposition behaupten können. Bei den für den Kreml besonders wichtigen Gouverneurswahlen bekamen die Kandidaten des Machtapparats überall den Sieg zugesprochen.

Opposition rief zu „smarter Abstimmung“ auf

Umfragen hatten der Regierungspartei wegen der Unzufriedenheit über die wirtschaftliche Lage im Land teils massive Verluste vorhergesagt. In der Region Chabarowsk an der Pazifikküste kam die Partei nur auf 12,51 Prozent der Stimmen - nach der ultranationalistischen Liberaldemokratischen Partei Russlands und den Kommunisten.

Die Wahlen auf regionaler und kommunaler Ebene galten als wichtiger Stimmungstest für Putin und seine Partei. Insgesamt waren 56 Millionen Wähler zur Stimmabgabe aufgerufen - das ist fast die Hälfte aller Wahlberechtigten Russlands. Die Wahlbeteiligung war landesweit teils sehr niedrig. In Moskau lag sie bei 21,63 Prozent.

Die Aufmerksamkeit war jedoch vor allem auf die Hauptstadt mit ihren mehr als zwölf Millionen Einwohnern gerichtet. Wochen vor der Wahl war es zu massiven Protesten gekommen, weil Dutzende Oppositionelle von der Wahl ausgeschlossen worden waren. Regierungskritiker Alexej Nawalny hatte deshalb zu einer "smarten Abstimmung" aufgerufen. Die Bürger sollten alles wählen - nur nicht die Kandidaten von Einiges Russland. Das sei die einzige Möglichkeit, um das Monopol der Putin-Partei zu brechen, sagte Nawalny.

Rund 13 Sitze verlor die Partei im Stadtparlament von Moskau. Vor allem die Kommunisten sowie die gemäßigte Oppositionspartei Jabloko konnten davon profitieren. Nawalny betonte, dass eigentlich die Opposition die Wahl gewonnen habe. Vor allem in den Wahlbezirken, in denen die liberale Opposition nicht antreten durften, hätte Einiges Russland deutlich verloren. "Das ist ein fantastisches Ergebnis für das 'smarte Abstimmen'", schrieb Nawalny.

Moskau wirft Google und Facebook Manipulation vor

Auf Videos war zu sehen, wie Wähler mehrere Stimmzettel gleichzeitig in die Wahlurnen warfen. Zudem kursierten Fotos mit massenweise im Voraus ausgefüllten Stimmzetteln für die Kremlpartei. Um die Wahlbeteiligung nach oben zu treiben, sollen Mitarbeiter von Staatsbetrieben zur Abstimmung gezwungen und teils in Bussen zu den Wahllokalen transportiert worden sein. Zudem sollen Stimmen gekauft worden sein.

Noch am Wahlabend hatte die Medienaufsicht Roskomnadsor erklärt, dass die US-Unternehmen Google und Facebook die Wahl mit Agitation beeinflussen wollten. Eine Kommission im russischen Parlament werde die Vorwürfe untersuchen, hieß es. Auch der Kreml unterstützte dies. Die Konzerne wiesen die Vorwürfe zurück. Die Werbetreibenden seien dafür verantwortlich, die Gesetze in den jeweiligen Ländern einzuhalten, teilte Facebook mit.

Wahlleiterin Ella Pamfilowa und das Innenministerium betonten, dass es zu keinen ernsthaften Verstößen gekommen sei. Der Wahltag sei sehr ruhig verlaufen. Gleichzeitig gab es am Sonntag einige Festnahmen. Der Pressesprecher von Golos sei von der Polizei abgeführt worden. Wie das Bürgerportal OWD-Info berichtete, wurden mindestens 16 Menschen festgenommen, darunter Journalisten sowie Maria Aljochina, ein prominentes Mitglied der Punkband Pussy Riot.

(APA/dpa/Red. )

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