Vor einem militärischen Schlag gegen die Iraner schreckt der US-Präsident vorerst erneut zurück.
Wien/Washington. US-Regierungsvertreter und die Regierung in Riad zeigen weiter auf Iran als den Verantwortlichen für die Luftangriffe auf die wichtige saudische Ölanlage Abqaiq am vergangenen Wochenende – die Führung in Teheran weist dies ebenso vehement zurück. Doch dass US-Präsident Donald Trump am Mittwoch als Reaktion weiter verschärfte Sanktionen gegen Iran angekündigt hat, deutet darauf hin, dass er auch dieses Mal auf eine militärische Antwort verzichten will: Möglicherweise, weil die Beweise für die iranische Urheberschaft doch nicht so wasserdicht sind; möglicherweise, weil er vor einem wichtigen Wahljahr tatsächlich in keinen neuen Krieg im Nahen Osten hineingezogen werden will.
Auch gibt es in seiner eigenen Partei wichtige Stimmen im Kongress, die vor einem weiteren Kriegsabenteuer warnen. Schließlich sei Saudiarabien kein Verbündeter der USA und habe sich selbst den Iran als seinen Erzfeind auserkoren. Bevor Trump einen Militäreinsatz gegen Iran befehle, müsse er deshalb den Kongress konsultieren.
Erklärung binnen 48 Stunden
Was genau die von Trump angekündigten „bedeutend verschärften“ Sanktionen gegen Iran sind und wen sie treffen, soll Finanzminister Steven Mnuchin ausarbeiten. Trump sagte am Mittwoch, man werde binnen 48 Stunden erklären, was man tun wolle. Möglicherweise ist es gar nicht so einfach, noch weitere Strafmaßnahmen zu finden. US-Außenminister Mike Pompeo traf gestern in Dschidda ein, um mit den Saudis das weitere Vorgehen abzusprechen.
Wer auch immer die Angriffe mit Drohnen und Marschflugkörpern auf die zentrale Ölanlage in Saudiarabien ausgeführt hat: Diese haben aller Welt die Verwundbarkeit Saudiarabiens drastisch vor Augen geführt. Obwohl Riad seit Jahrzehnten zu den größten Rüstungseinkäufern überhaupt gehört, war es offenbar nicht dazu imstande, für eine funktionierende Luftabwehr für seine bedeutende Ölanlage Abqaiq zu sorgen.
Zugleich hat der Ruf des Königreichs als Wächter über den globalen Ölmarkt schweren Schaden genommen. Ölhändler zeigten sich verwundert, wie leicht ein Schwarm unbemannter Flugkörper eine bedeutende Einrichtung der globalen Ölversorgung teil- und zeitweise außer Betrieb setzen konnte. Der neue saudische Energieminister, Prinz Abdulasis bin Salman, versprach deshalb gestern, dass die Ölproduktion des Landes bis Ende September wieder komplett hergestellt sein werde; die Versorgung der Kunden laufe bereits wieder auf vollen Touren, da Lagerbestände angezapft worden seien.
Außerdem: Ob die Drohnen und Raketen aus dem Jemen, dem Irak oder dem Südwesten Irans abgefeuert wurden – sie haben bewiesen, dass die mit Iran verbündeten Houthis, schiitische Milizen im Irak oder eben die iranischen Militärs bzw. Revolutionsgarden mittlerweile zu zielgenauen taktischen Luftschlägen imstande sind, die schweren Schaden anrichten können.
Iranische Vertreter wiesen auch nach der Attacke auf die saudische Ölanlage wieder jegliche Verantwortung zurück, wie sie dies schon bei früheren Gelegenheiten bei Angriffen auf Öltanker in der Straße von Hormuz getan hatten. Präsident Hassan Rohani erklärte, Iran wolle keinen Konflikt in der Region. Verteidigungsminister Amir Hatami sagte, Iran habe keine Rolle bei dem Angriff gespielt; bei dem Konflikt auf der Arabischen Halbinsel stünden sich Jemen und Saudiarabien gegenüber.
Iran-Beobachter spekulieren darüber, ob der Zeitpunkt des Angriffs auf Abqaiq auf interne Querelen in der iranischen Führung hindeuten könnte. Demnach hätte die Fraktion der Hardliner rund um die Revolutionsgarden ein mögliches Treffen der Präsidenten Rohani und Trump am Rande der UNO-Vollversammlung in New York torpedieren wollen. Rohani hat freilich immer wieder betont, dass Verhandlungen unter „maximalem Druck“ der USA unmöglich seien. Wenn die USA wirklich Gespräche wollten, müssten sie ihren Druck beenden und guten Willen zeigen. Dass Trump am Mittwoch angeordnet hat, die Sanktionsschraube gegen Iran noch weiter anzuziehen, ist wohl kaum ein Zeichen dieses guten Willens, im Gegenteil.
O'Brien neuer US-Sicherheitsberater
Der Iran-Konflikt wird auch die volle Konzentration von Robert O'Brien erfordern, den Trump gestern zu seinem neuen Nationalen Sicherheitsberater ernannt hat. Er folgt dem in der vergangenen Woche gefeuerten John Bolton nach, der unter anderem wegen Differenzen über die Iran-Politik seinen Job verloren hat. O'Brien war zuletzt Sonderbotschafter des US-Außenamts für Geiselfälle, arbeitete für Bolton während dessen Zeit als US-Botschafter bei der UNO und war 2012 außenpolitischer Chefberater des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2019)