Tunesiens Ex-Herrscher Ben Ali ist tot

FILE PHOTO: Tunisia´s President Zine al-Abidine Ben Ali waves to supporters after he took the oath at the national assembly in Tunis
FILE PHOTO: Tunisia´s President Zine al-Abidine Ben Ali waves to supporters after he took the oath at the national assembly in Tunis(c) REUTERS (Zoubeir Souissi)
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Der im Zuge des arabischen Frühlings 2011 gestürzte Langzeitherrscher Tunesiens, Zine el Abidine Ben Ali, ist 83-jährig im saudischen Exil gestorben.

Tunesiens Ex-Langzeitherrscher Zine el Abidine Ben Ali ist 83-jährig im saudischen Exil gestorben. Sein Anwalt bestätigte am Donnerstag entsprechende tunesische Medienberichte. Ben Ali war der erste Herrscher, der 2011 gestürzt wurde.

Sein Sturz markierte den Beginn der arabischen Aufstände: Als Ben Ali im Jänner 2011 Tunesien nach Massenprotesten gegen seine harte Herrschaft verließ, löste das weltweit Hoffnungen auf weitreichende demokratische Reformen in der arabischen Welt aus. Auch in anderen Ländern wie Ägypten und Libyen gab es Proteste, wurden Langzeitherrscher aus dem Amt gefegt.

Die Entwicklungen beobachtete Ben Ali aus dem Exil in Saudi-Arabien, wo er jetzt im Alter von 83 Jahren gestorben ist. Lange hatte Ben Ali es geschafft, auf internationaler Bühne den Ruf eines skrupellosen Diktators zu vermeiden. Er galt als wirtschaftlicher Reformer. Unter ihm hatte Tunesien in Nordafrika den Ruf, mit den gut ausgebildeten Frauen und dem Wirtschaftswachstum ein Vorzeigemodell zu sein.

Versteckter Diktator

Aber spätestens Ende 2010 wandelte sich dieses Bild. Ben Ali nahm Dutzende Tote in Kauf, als er vergeblich versuchte, die erste große Protestbewegung seiner 23 Jahre dauernden Präsidentschaft niederzuschlagen. Erschrocken blickte die Welt auf einen Mann, der auf Demonstranten schießen ließ und Meinungs- und Versammlungsfreiheit missachtete. Neun Jahre nach seinem Sturz veröffentlichte eine staatliche Kommission schonungslose Berichte über Folter und hartes Vorgehen gegen Oppositionelle.

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Wie straffe Führung funktioniert, lernte Ben Ali von der Pike auf. Geboren am 3. September 1936 in Sousse, trat er 1956 in die Armee ein. Er wurde an Militärakademien in Frankreich und den USA ausgebildet, später arbeitete er jahrzehntelang an der Spitze der militärischen und nationalen Sicherheit - unterbrochen von diplomatischen Auslandsaufenthalten.

1987 wurde er erst Innen- und dann Premierminister. Ende desselben Jahres drängte er den damals senilen Präsidenten Habib Bourguiba (1903-2000) aus dem Amt, auch unter Beifall des Auslands. In seiner Antrittsrede versprach er Demokratie und soziale Gerechtigkeit. Damals erwähnte er sogar eine "Jasminrevolution" - ohne zu ahnen, dass eine solche ihn fast ein Vierteljahrhundert später von der Macht fegen sollte.

Keine Chance für Opposition

Bei keiner der fünf Präsidentschaftswahlen bekam die Opposition auch nur den Hauch einer Chance. Ben Ali räumte mit "sowjetischen" Wahlergebnissen knapp unter 100 Prozent der Stimmen ab. Selbst sein "knappstes" Ergebnis bei seiner letzten Wahl im Oktober 2009 lag noch bei 89,6 Prozent. Eigentlich wollte der als Reformer angetretene Ben Ali die Präsidentschaft auf Lebenszeit abschaffen. Später ließ er dann aber doch die Verfassung ändern, um sich weitere Mandate zu ermöglichen.

Nach wochenlangen Demonstrationen floh Ben Ali am 14. Jänner 2011 mit seiner Frau Leila im Privatjet nach Saudi-Arabien. Kaum etwas wurde seitdem über das Leben der Familie im Exil öffentlich bekannt. Nur ganz selten gab es ein Lebenszeichen des langjährigen Machthabers, etwa als Ben Alis älteste Tochter Nesrine im Jänner 2019 den tunesischen Rapper K2rhym heiratete und der Musiker ein Foto der neuen Familie in den sozialen Netzwerken teilte.

An eine Rückkehr nach Tunesien war für Ben Ali nicht zu denken. In Abwesenheit wurde der geflohene Präsident in verschiedenen Prozessen zu jahrzehntelangen Haftstrafen verurteilt.

Politisches Erdbeben

Tunesien ist gerade dabei, einen neuen Präsidenten zu wählen. Am Sonntag fand die erste Runde der Wahlen statt, das Ergebnis kam einem politischen Erdbeben gleich: Zwei politische Außenseiter schafften es in die Stichwahl, die im Oktober stattfinden soll und die zwischen dem unabhängigen Jus-Professor Kaïs Saïed und dem im Gefängnis sitzenden Medienmogul Nabil Karoui entscheiden wird.

Tunesien nimmt für sich in Anspruch, als einziges Land des Arabischen Frühlings eine funktionierende Demokratie zu sein. Überschattet werden die demokratischen Errungenschaften jedoch von schweren wirtschaftlichen und sozialen Problemen und der allgegenwärtigen Günstlingswirtschaft. Die Arbeitslosenrate liegt bei 15 Prozent, die Lebenshaltungskosten stiegen um mehr als 30 Prozent seit 2016.

(APA/dpa/red.)

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