Arktis: Expedition in das Reich der Rohstoffe

(c) AP (John Mcconnico)
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Das Wetteifern um Teile der Arktis geht in die nächste Runde. Mit einer neuen Forschungsfahrt will Russland beweisen, dass es mehr Anspruch auf Gebiete hat als andere Anrainerstaaten - auch auf mehr Ressourcen.

Moskau. Es erinnere doch ein wenig an die Rivalitäten zwischen den spanischen und portugiesischen Konquistadoren in Lateinamerika, meinte jüngst die russische Zeitung „Wedomosti“. Und auch der Vergleich mit den europäischen Kolonialmächten in Afrika dränge sich auf, wenn man sehe, wie Russland und die restlichen Anrainerstaaten der Arktis um das Gebiet rund um den Nordpol wetteifern.

Nun ist das Rennen in die nächste Runde gegangen: Vom russischen Weißmeerhafen Archangelsk, 1133 km nördlich der Hauptstadt Moskau, aus stachen das Forschungsschiff „Akademiker Fjodorow“ und der Atomeisbrecher „Jamal“ Richtung Norden in See. Drei Monate lang werden 50Experten sowie Vertreter des Verteidigungsministeriums Daten sammeln, die letztlich den Beweis erbringen sollten: Russland habe Anspruch auf einen Anteil von 1,2Mio. km2 der Arktis einschließlich des Nordpols und damit das Recht, ebendort Rohstoffe abzubauen.

Sie zum Beispiel sei vom Beruf her Hydrometeorologin, so Nina Tscherwjakova, eine Expeditionsteilnehmerin vor der Abfahrt: „Man hat uns beigebracht, dass das für Russland wichtig sei.“

Das beanspruchte Gebiet in der Arktis würde den flächengrößten Staat der Welt um gut sieben Prozent seines jetzigen Territoriums erweitern. Ob es den Russen jemals gelingt, diesen Anspruch vor der UNO zu untermauern, oder ob alle Arktis-Anrainerstaaten sich früher oder später mit gleichen Anteilen werden zufriedengeben müssen: Faktum ist, die Arktis lockt ihre Eroberer mit mehreren Schätzen.

Der Ruf des Öls

Dass der Raum für die militärische Sicherheit wichtig ist, wie Premier Wladimir Putin im April sagte, wird von Experten etwas relativiert. Ungleich interessanter sind Gas und Öl. Nach Angaben von United States Geological Survey könnte die Arktis etwa 50Billionen Kubikmeter Gas und rund 90Milliarden Barrel Öl bergen. Das ist mehr als die Ressourcen von Nigeria, Kasachstan und Mexiko zusammen. Laut US-Energieministerium lagern in der Arktis etwa 22Prozent der weltweit noch nicht erkundeten Kohlenwasserstoffvorräte, aber auch Metalle wie Gold, Zink, Kupfer und Diamanten.

Dazu kommen bisher unerreichbare Fischgründe – und Perspektiven für die Schifffahrt: Wenn erst einmal das Eis abgeschmolzen ist, so wäre der Weg frei für kurze Schiffstransportrouten. Umweltschützer schlagen Alarm. Sollte die Arktis einmal industriell ausgebeutet werden, würden Umweltkatastrophen wie im Golf von Mexiko drohen, warnt etwa Greenpeace.

Immerhin werde man die Territorialfrage friedlich lösen, erklärten die Arktis-Anrainer Dänemark, Kanada, Norwegen, Russland und die USA 2008. Und Ende April 2010 legten Russland und Norwegen nach 40Jahren Streit als Zeichen neuer Konstruktivität ihre Grenze in der Barentssee und dem nördlichen Polarmeer fest.

Allein, der Wettbewerb um die Arktis bleibt bestehen. Damit nicht genug: Nach kürzlich geäußerter Ansicht von Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew werde das Abschmelzen der nördlichen Eiskappe den Streit um den Zugang weiter verschärfen. So starten am 7.August auch die USA und Kanada gemeinsam eine Expedition zum Nordpol. Den Start der offiziellen Beitrittsverhandlungen zwischen

Erneuter Antrag bei UNO

Russland kämpft wie ein Löwe. Als erster Arktis-Anrainerstaat hat es 2001 bei der UNO beantragt, die allen Anrainerstaaten zugesprochene 200-Meilen-Zone zur wirtschaftlichen Nutzung entlang der Festlandküste zu überschreiten und somit Zugriff auf das oben genannte Territorium von 1,2Mio. km2 zu haben. Die Russen begründen diesen Mehranspruch damit, dass der Festlandsockel unter dem Eismeer die natürliche Fortsetzung der eurasischen Landmasse sei.

Nachdem die UNO den Antrag zurückgewiesen hatte, hisste im Jahr 2007 eine russische Expedition die Nationalflagge auf dem Meeresgrund im beanspruchten Gebiet. Die jetzige Expedition soll die Daten für einen neuen Antrag bei der UNO liefern. Voraussichtlich 2011 wird er eingereicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2010)

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