Albanien: Spannungen nach "ethnischem Mord"

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Nach einem Streit wurde Aristotelis Goumas von einem Auto totgefahren. Dutzende griechischsprachige Einwohner Himaras blockierten nach dem Tod von Goumas aufgebracht die Küstenstraße zwischen Vlora und Saranda. .

Belgrad/Tirana. An der Ursache für den Tod von Aristotelis Goumas gibt es zumindest für die griechischstämmigen Einwohner der südalbanischen Stadt Himara keinen Zweifel. Weil er Griechisch sprach, war der 35-Jährige vergangene Woche in einem Café von mehreren jungen Albanern angepöbelt worden. Einen Tag später wurde Goumas auf seinem Motorrad offenbar absichtlich von einem Pkw-Fahrer unweit seiner Heimatstadt angefahren – und getötet. Goumas sei „aus ethnischen Gründen“ getötet worden, meinte hernach der Sprecher des griechischen Außenministeriums, Grigoris Delavekuras, und zeigte sich über die Sicherheit der griechischen Minderheit im Nachbarland „besorgt“: Der „beispiellose“ Akt drohe, für ethnische Spannungen „mit unkontrollierbaren Konsequenzen“ zu sorgen.

Die lokale Polizei hat zunächst jeden ethnischen Hintergrund des „Verkehrsunfalls“ dementiert. Doch schon einen Tag vor dem Tod von Goumas hatten sich drei albanische Griechen bei der Polizei über Drohungen gegen sie wegen des Gebrauchs ihrer Muttersprache beschwert.

Nach dem Tod von Goumas blockierten Dutzende griechischsprachige Einwohner Himaras aufgebracht die Küstenstraße zwischen Vlora und Saranda. Griechischstämmige Beamten legten aus Protest mehrere Stunden die Arbeit nieder. Erzbischof Janullatos, das griechischstämmige Oberhaupt der albanisch-orthodoxen Kirche, warnte die Behörden davor, das „Klima der Koexistenz“ zu ruinieren. Rassenhass machte Himaras Bürgermeister Vasil Bollano für den Tod von Goumas verantwortlich.

Von einst über 100.000 ist Albaniens griechische Gemeinschaft seit der Wende von 1989 wegen der Abwanderung nach Griechenland laut griechischen Schätzungen auf 15.000 Personen geschrumpft: Damit stellen die Griechen aber neben den Roma noch immer die größte Minderheit in dem 3,1-Millionen-Einwohner-Staat Albanien. In den 90er-Jahren war es wegen des Umgangs mit der Minderheit wiederholt zu Spannungen zwischen Tirana und Athen gekommen. Die einstigen Probleme gelten mittlerweile als weitgehend ausgeräumt: Schulen in Dörfern mit einem starken Griechen-Anteil bieten griechischsprachigen Unterricht an, einzelne Kommunen sind zweisprachig beschildert. Zu Problemen kam es aber immer wieder in Himara. Der griechische Bürgermeister Bollano war kürzlich wegen Machtmissbrauchs verurteilt worden, weil er Straßenschilder abmontieren ließ, die nicht zweisprachig waren.

„Barbarischer Akt“

EU und OECD müssten in die Ermittlungen miteingeschaltet werden, fordert nun die der griechischen Minderheit nahestehende Menschenrechtspartei. Mehrere griechische Europaparlamentarier haben die EU-Kommission aufgefordert, bei Albaniens Regierung zu intervenieren. Verspätet hat mittlerweile Albaniens Premier Sali Berisha auf den Vorfall reagiert: Sollte sich der Verdacht eines ethnisch motivierten Verbrechens als richtig erweisen, müsse von einem „extrem barbarischen, fanatischen und blinden Akt“ gesprochen werden.

Der flüchtige Fahrer des Unglückswagens hat sich inzwischen der Polizei gestellt: Seiner Darstellung nach soll der Tod von Goumas Folge eines „normalen“ Streits und nicht ethnisch motiviert sein. Albaniens rechtsgerichtete Republikanische Partei, die mit in der Regierung sitzt, wirft Athen und der griechischen Minderheit vor, die Hintergründe des „Zwischenfalls“ zu „übertreiben“. Parteichef Sabri Godo wittert hinter deren Protesten gar den Versuch, die territoriale Integrität Albaniens zu „verletzen“ und Himara „annektieren“ zu wollen: „Was geht die griechische Regierung ein Streit zwischen zwei albanischen Staatsbürgern an?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24. August 2010)

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