Tunesien: Abrechnung mit Ben Ali

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Gegen den tunesischen Ex-Diktator begann der Prozess wegen Veruntreuung von Staatsvermögen. Die Beweislast wiegt schwer. Ben Alis Anwälte weisen die Vorwürfe entschieden zurück und wollen Aufschub erreichen.

Tunis/Wien/Ag. Es ist der spektakuläre Auftakt einer Reihe von Verfahren gegen den tunesischen Ex-Diktator Zine El Abidine Ben Ali und seine Frau Leila Trabelsi. Ein Gericht in der Hauptstadt Tunis soll darüber urteilen, ob das Paar während seiner 23-jährigen Regentschaft ein ungeheures Vermögen auf Kosten des Staates angehäuft hat.

Die Beweislast wiegt schwer: Kurz nach seiner Flucht im Jänner diesen Jahres sollen allein im Präsidentenpalast und einer Residenz Ben Alis neben Waffen und Drogen 27 Millionen Dollar (18,9 Millionen Euro) in bar sowie Schmuck gefunden worden sein. Die Familie des Despoten und seiner Frau soll große Anteile an der Wirtschaft des Landes gehalten und die Kontrolle über Hotels, Banken und andere lukrative Unternehmen an sich gerissen haben.

„Schändliche Maskerade der Siegerjustiz“

Die Verteidigung will von all dem nicht wissen: Schon im Vorfeld des Prozesses ließ Ben Ali über seinen Anwalt Akram Asuri alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe „entschieden zurückweisen“. Er habe diese Geldsummen nie besessen, bei den Waffen habe es sich um Jagdgewehre und Geschenke ausländischer Staatschefs gehandelt. Zudem sei es eine „unverschämte Lüge“, dass Ben Ali Drogen besessen haben soll. Die Anklage sei der Versuch der neuen Führung, vom Chaos abzulenken, in das Tunesien seit dem Sturz des Ex-Präsidenten abgerutscht sei. Ein Vertrauter des früheren Staatschefs bezeichnete den Prozess gar als „schändliche Maskerade“ einer „Siegerjustiz“.

Weiterer Prozess vor Militärtribunal

Die Beschuldigten selbst werden bei der Verhandlung nicht anwesend sein; sie sind nach ihrem Sturz nach Saudiarabien ins Exil geflohen – wo sich Ben Ali eigenen Angaben zufolge aber nicht „freiwillig“ aufhalte. Die neue tunesische Führung habe ihn mit einem „Trick“ in das Land getrieben, monierte er in einer kürzlich veröffentlichten Erklärung. Die Verteidigung kündigte am Montag an, eine Verschiebung des Verfahrens zu beantragen, um Kontakt mit den Mandanten aufnehmen zu können.

Insgesamt werden dem 74-Jährigen und seiner Frau 93 Anklagepunkte zur Last gelegt; im Falle eines Schuldspruchs drohen bis zu 20 Jahre Haft. Die schwerwiegenderen Vorwürfe wie Mord, Folter und Geldwäsche werden zu einem anderen Zeitpunkt vor einem Militärtribunal verhandelt – diese Delikte könnten sogar mit der Todesstrafe geahndet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2011)

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