Nach Wien erhält auch Moskau eine Protestnote. Litauen spricht von "unfairen und beleidigenden Statements" und will wissen, ob der Kreml die Freilassung von Michael Golowatow erwirkt hat.
Litauen setzt in der Affäre um die Freilassung des Ex-KGB-Offiziers und mutmaßlichen Kriegsverbrechers Michail Golowatow nicht nur gegen Österreich diplomatische Schritte. Die Proteste richten sich neuerdings auch gegen Russland.
Wie am Donnerstag bekannt wurde, ist dem russischen Botschafter in Vilnius eine Protestnote ausgehändigt worden. Darin empört sich Litauen über "unwahre und beleidigende Statements" des russischen Außenministeriums und verlangt Auskunft darüber, ob Russland Einfluss auf die Freilassung Golowatows genommen hat. Auch der Beifall Russlands für die Freilassung und weitere "der litauischen Geschichtsauffassung zuwiderlaufende Statements" werden kritisiert.
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Der per europäischem Haftbefehl gesuchte Golowatow war am vergangenen Donnerstag am Flughafen in Wien-Schwechat gefasst worden. Keine 24 Stunden später ließen die österreichischen Behörden den 62-Jährigen aber laufen. Offizielle Begründung: Der Haftbefehl soll zu schwammig formuliert gewesen sein.
"Freunde Putins"
Allerdings kursieren Vorwürfe, wonach Österreich vor Russland in die Knie gegangen sein soll. Auch mehrere Politologen äußerten in den vergangenen Tagen den Verdacht, dass die österreichische Justiz auf Druck des Kremls gehandelt haben könnte. Österreich weist das scharf zurück. Demonstranten in Vilnius nannten die Österreicher trotzdem "Freunde Putins".
Nach Ansicht des russischen Botschafters in Wien, Sergej Netschajew, legt die Affäre aber viel mehr die Schwächen des litauischen Rechtssystems als des russischen offen: "Wir haben keinen politischen Druck gemacht, was ich von unseren Partnern aus dem dritten Land (Anm.: Litauen) nicht sagen kann." Dort sei auch der Außenminister involviert. "Der Fall bedeutet, dass der Weg zu einem Rechtsstaat lang und steinig ist", so der Botschafter am mit Blick auf Litauen. Gleichzeitig lobte er die Professionalität der österreichischen Behörden.
Die Vorwürfe gegen Golowatow
In der Nacht vom 13. Jänner 1991 starben in der litauischen Hauptstadt Vilnius vierzehn Menschen. Sie wollten den Fernsehturm im Unabhängigkeitskampf vor der sowjetischen KGB-Sondereinheit "Alpha" schützen. Die Elitetruppe "Alpha" feuerte in die Menge der Demonstranten. Das Massaker ist als "Blutnacht von Vilnius" in die Geschichte eingegangen. Damaliger Verantwortlicher für die "Alpha"-Truppe war Ex-KGB-Offizier Michail Golowatow.
Historiker bewerten den 13. Jänner 1991 als Wendepunkt für die Unabhängigkeits-Bestrebungen der baltischen Staaten. Im Anschluss daran erkannte Island als erster westlicher Staat die Unabhängigkeit der baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen an. Zwanzig Jahre später gehören die drei früheren Sowjetrepubliken dem westlichen Militärbündnis Nato und der Europäischen Union an.
(Red.)