Karl: "Hätten Golowatow sofort gehen lassen können"

(c) Teresa Zötl
  • Drucken

Justizministerin Beatrix Karl verteidigt die Vorgangsweise der österreichischen Staatsanwälte in der Affäre um denn Ex-KGB-Offizier Golowatow: Man sei Litauen ohnehin schon entgegengekommen.

Die Presse: Wann haben Sie persönlich vom Fall Golowatow erfahren?

Beatrix Karl: Ich habe Donnerstagabend, es war schon knapp nach Mitternacht, eine Information bekommen. Das war aber noch sehr allgemein gehalten. Die Dimension dieses Falles war mir am nächsten Vormittag nach einem weiteren Gespräch klar.

Welche Anweisungen haben Sie dann gegeben?

Der Fall ist über die zuständige Staatsanwaltschaft gegangen, und die hat die notwendigen und richtigen Schritte gesetzt. Ich bin sehr froh, dass die Staatsanwaltschaft eine juristische und keine politische Entscheidung getroffen hat.

Sie haben sich nicht eingemischt?

Nein. Das ist ein Fall, den die Staatsanwaltschaft abzuhandeln hat – bei Einhaltung der rechtlichen Regelungen.

Nachträglich betrachtet: Sind Sie zufrieden, so wie es gelaufen ist?

Ich bin zufrieden damit, dass die zuständige Staatsanwaltschaft rechtskonform gehandelt hat.

Trotzdem bleibt die Frage: Warum dieser Zeitdruck? Warum hat man nicht gewartet, bis Litauen die erforderlichen Informationen liefern kann?

Wenn wir das mit anderen Fällen vergleichen, so wurde hier eine sehr lange Frist gesetzt. Dass überhaupt eine Frist gesetzt wurde, war bereits ein Entgegenkommen an Litauen. Die zuständigen litauischen Behörden sind mehrfach aufgefordert worden, Informationen zu liefern. Es ist darum gegangen, dass Litauen den Tatverdacht hinreichend hätte darlegen müssen: Was hat Herr Golowatow wann, wo gemacht. Diese Informationen haben gefehlt.

Sie hatten die Anklageschrift auf Litauisch. Da war keine Zeit mehr für eine Übersetzung?

Auch die ist erst spät gekommen, 18 Minuten vor Ende der Frist. Und es hätte gar nicht die Anklageschrift auf Englisch sein müssen, es ging um die Beantwortung von wenigen kurzen Fragen. Die hat Litauen nicht geliefert.

Das ist jetzt eine sehr juristische Argumentation. Für den Nichtjuristen bleibt der Eindruck, da hat man versucht, ein Problem loszuwerden.

Da geht es um eine Freiheitsentziehung. Das ist ja nicht irgendetwas, das ist ein schwerer Eingriff in die Rechte der betreffenden Person und muss natürlich gerechtfertigt sein. Wir können nicht beliebig Menschen festnehmen und lange festhalten. Gott sei Dank ist das nicht so leicht möglich. Wir haben sonst auch sofort ein Problem mit der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Aber man hat nicht den Eindruck, dass das immer so gehandhabt wird.

Wir hatten schon Probleme in Fällen, in denen die 48-Stunden-Frist nicht ausgereizt wurde. Österreich hat in dem Fall sehr entgegenkommend agiert mit den vielen Kontaktnahmen mit der zuständigen Behörde in Litauen. Man hätte Golowatow auch sofort gehen lassen können.

Womit hat Russland gedroht?

Ich weiß nichts von einer Drohung.

Was soll die bilaterale Arbeitsgruppe mit Litauen bringen?

Das bietet uns die Möglichkeit, dass wir noch einmal ausführlich erklären können, warum die österreichische Behörde so agiert hat. Erstaunlich ist schon: Wenn das so ein wichtiger Fall für Litauen ist, kann man erwarten, dass sie wie aus der Pistole geschossen die notwendigen Informationen zur Verfügung stellen können.

Anderes Thema: Beim Lobbyistengesetz ist die Begutachtungsfrist vorüber. Wird sich noch etwas ändern?

Wir sichten jetzt die Stellungnahmen. Mit Sicherheit wird noch der eine oder andere Aspekt in die Regierungsvorlage einfließen.

Die Kammern wollen nicht vom Gesetz erfasst sein. Erfüllen Sie den Wunsch?

Ich sehe keinen Grund, warum die Kammern nicht erfasst sein sollen. Sie übernehmen ja Interessenvertretungsaufgaben. Sie nehmen ohnehin eine Sonderstellung im Lobbyistengesetz ein und haben weniger Verpflichtungen als andere Lobbyisten-Organisationen.

Das ist ja auch zu hinterfragen. Warum müssen sie sich beispielsweise dem Verhaltenskodex nicht unterwerfen?

Weil die Kammern eigene gesetzliche Grundlagen haben, deshalb haben sie auch eine Sonderstellung.

Wir haben jetzt Ende Juli, Ihre Vorgängerin wollte bis zu diesem Zeitpunkt den Fall Grasser abschließen. Wie lange dauert der noch?

Qualität ist wichtiger als Tempo. Wenn es notwendig ist, noch weiter zu ermitteln, dann soll die Staatsanwaltschaft auch die Zeit dafür haben.

Sie setzen keine Frist?

Nein. Es gibt gute Gründe, warum Verfahren lange dauern. Große Wirtschaftsstrafverfahren sind meist sehr komplex, da gibt es Aktenberge, die zu bearbeiten sind. Und es gibt internationale Verflechtungen, die das Ganze noch komplizierter machen.

Kritisiert wird auch, dass die Hausdurchsuchungen bei Grasser öffentlich gemacht wurden. Ein Fehler?

Es gibt ein Bedürfnis nach Transparenz und ich bin auch der Meinung, dass es gut ist, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, was die Staatsanwaltschaft tut. Natürlich dürfen die Rechte der Verfahrensbeteiligten nicht beeinträchtigt werden.

Genau das ist der Vorwurf.

Man muss schon sehen, dass es Verfahrensbeteiligte gibt, die selbst sehr an die Öffentlichkeit drängen. Wenn das so ist, darf man sich auch nicht wundern, wenn öffentlich sehr viel über solche Fälle berichtet wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Pilnacek Superman auch nachts
Recht allgemein

Pilnacek: Der Superman, der auch nachts wacht

Christian Pilnacek verteidigt als Chef der strafrechtlichen »Super-Sektion« die Justiz, wo er nur kann.
Justizministerium will Änderung bei EU-Haftbefehl prüfen
Recht allgemein

Justizministerium will Änderung bei EU-Haftbefehl prüfen

EU-Haftbefehle könnten in Österreich auf Fälle vor dem Jahr 2002 ausgedehnt werden. Das Ministerium reagiert somit auf Kritik von EU-Abgeordneten.
Außenpolitik

Fall Golowatow: „Konstruktives“ Expertentreffen

Litauische und österreichische Beamte sprachen sich in Wien für bessere Justizkooperation aus. Laut Justizministerium wurden die „rechtlichen Grundlagen“ und „faktischen Umstände“ des Falles besprochen.
KGB-Affäre: Karas fordert Entschuldigung der Regierung
Außenpolitik

KGB-Affäre: Karas fordert Entschuldigung der Regierung

Nach Kritik von mehreren Volkspartei-Granden sieht nun auch der EU-Delegationsleiter der ÖVP eine diplomatische Initiative der Bundesregierung gegenüber Litauen als "überfällig" an.
Außenpolitik

Fall Golowatow: Schützenhilfe für Litauen

In einem Brief an Österreichs Vizekanzler Michael Spindelegger sowie an alle übrigen EU-Amtskollegen und EU-Kommissarin Viviane Reding forderte Bulgariens Außenminister Nikolai Mladenow „Gerechtigkeit“.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.