Dänemark: „Roter Block" erringt die Macht

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Danemark Wahl(c) EPA (Erik Refner)
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Bei der Parlamentswahl hat das linke Oppositionsbündnis unter der Führung der 44-jährigen Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt gewonnen. Wirtschaftsfragen dominierten den Wahlkampf.

[Kopenhagen] Nach zehn Jahren mit bürgerlichen Regierungen steht Dänemark vor einem Machtwechsel. Die von der Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt angeführte Opposition hat bei den Parlamentswahlen am Donnerstag eine knappe Mehrheit erobert und dürfte damit den liberalen Premier Lars Løkke Rasmussen aus dem Amt zwingen. Auch mit der Machtposition der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei, die während des letzten Jahrzehnts die liberal-konservative Koalition parlamentarisch absicherte, ist es künftig vorbei.

Nach Auszählung von fast 100 Prozent der Stimmen dürfte der „Rote Block" 89 der 179 Mandate erhalten, das bürgerliche Lager 86 Sitze. Vor vier Jahren hatten die Bürgerlichen und ihre Koalitionspartner 94, die linke Opposition 81 Sitze erobert.

Die aktuelle Regierung habe "keine Basis" mehr, gestand Rasmussen im Fernsehsender TV2 ein. "Morgen um 11 Uhr werde ich der Königin den Rücktritt der Regierung bekanntgeben."

45 Mandate für Sozialdemokraten

Die 44-jährige Thorning-Schmidt wird damit voraussichtlich Dänemarks erste Ministerpräsidentin. Zwar konnte ihre eigene Partei mit 24,9 Prozent ihr historisch schlechtes Ergebnis von 2007 nicht verbessern, doch Zugewinne für andere Parteien ihres Lagers wiegen die Verluste auf: die Sozialliberalen verdoppelten mit 9,6 Prozent und 17 Mandaten (plus 8) ihren Anteil nahezu, die rot-grüne Einheitsliste schnitt mit 6,7 Prozent besser ab als je zuvor.

Die Sozialistische Volkspartei, die in der abgelaufenen Legislaturperiode eine enge Partnerschaft mit den Sozialdemokraten einging, büßte mit 10,3 Prozent fünf ihrer bisher 23 Mandate ein. Thorning-Schmidt strebt eine Koalition mit der Sozialistischen Volkspartei und den Sozialliberalen an, in der Wirtschafts- und Steuerpolitik gibt es aber markante Unterschiede zwischen Sozialdemokraten und Sozialliberalen.

Im „Blauen Block", dem bürgerlichen Lager, verlor die liberale Venstre mit 44 Mandaten (minus 2) und 24,8 Prozent die Position als Dänemarks größte Partei. Noch viel schlechter schnitt ihr konservativer Koalitionspartner ab, der acht von 18 Sitzen verlor. Viele konservative Wähler wechselten zur Liberalen Allianz, die mit einem klar neoliberalen Aufruf zu Steuersenkungen auf fünf Prozent und neun Mandate (plus 4) kam.

Niederlage für Volkspartei

Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei erlitt erstmals in ihrer 16-jährigen Parteigeschichte eine Wahlniederlage und kam nur noch auf 12,3 Prozent und 22 Plätze im Parlament (minus 3). Sie hatte mit ständigen Forderungen nach Verschärfungen der Ausländerpolitik das vergangene Jahrzehnt maßgeblich mitgeprägt. Je zwei Mandate werden zusätzlich auf Grönland und den Färöern vergeben, vermutlich drei für den roten und eines für den blauen Block.

Nach drei von der Zuwanderung dominierten Wahlkämpfen standen diesmal eindeutig Wirtschaftsfragen im Vordergrund. Völlig ausgeklammert blieb die Europapolitik, trotz der Euro-Krise, die auch das Nicht-Euro-Land Dänemark stark betrifft, und obwohl Kopenhagen zu Jahresbeginn die EU-Präsidentschaft übernimmt. Ein Referendum über den Euro-Beitritt schließt Thorning-Schmidt für die kommende Legislaturperiode aus. Hingegen will sie die seit anfangs der neunziger Jahre bestehenden Ausnahmeregeln, nach denen Dänemark nicht an der europäischen Militär- und Justizkooperation teilnimmt, unmittelbar nach Ende der dänischen EU-Vorsitzperiode zur Abstimmung stellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2011)

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