Mittel- und Osteuropa: Der Euro rollt nur langsam in den Osten

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Polens Premier Tusk gibt Gas: Schon 2011 soll der Zloty Geschichte sein. Tschechien hat es viel weniger eilig.

Warschau. Damit hatte niemand gerechnet: Polen will schon 2011 der Euro-Zone beitreten, verkündete Premier Donald Tusk auf dem Wirtschaftsforum im Kurort Krynica. Vielleicht haben ihn die dynamischen Manager im „Davos des Ostens“ animiert – jedenfalls fällt sein Ziel überraschend ehrgeizig aus. Bisher hatte es Polens Regierung vermieden, einen Termin für die Euro-Einführung zu nennen. Experten gingen von 2013 aus.

Doch die plötzliche Eile hat auch einen handfesten wirtschaftlichen Grund: die Stärke des Zloty. Seit dem EU-Beitritt 2004 hat Polens Währung zum Euro um 17 Prozent zugelegt, vor allem, weil die Wirtschaft viel kräftiger gewachsen ist als in der trägen EU. Das aber macht die Polen weniger stolz als besorgt. Denn als größte Netto-Empfänger verdanken sie fast ein Viertel ihres Wachstums den EU-Fördermitteln. Die werden in Euro ausbezahlt und schmelzen, kaum in Polen angekommen, durch die stetige Währungsaufwertung dahin. Projekte geraten ins Stocken, Firmen in Probleme. „Wir müssten die Mittel in derselben Währung ausgeben, in der wir sie erhalten“, forderte Entwicklungsministerin Elzbieta Bienkowska schon im August.

Voller Neid schielt sie auf die Slowakei, die den Euro schon mit 1. 1. 2009 einführen wird: „In wenigen Monaten haben die das Problem nicht mehr.“ Zum gleichen Zeitpunkt muss Polen erst einmal ins Vorzimmer des Euro mit dem sperrigen Namen Wechselkursmechanismus II. Den öffentlichen Haushalt hat Mittelosteuropas größte Volkswirtschaft schon unter Kontrolle, doch die Inflation ist mit fünf Prozent über dem Limit.

Balten: Inflation verzögert Euro

Eben die Angst vor der Inflation lässt die Tschechen auf die Bremse steigen. Beim Beitritt 2004 waren sie noch voller Eu(ro)phorie und träumten von einer Umstellung bis 2009. Erst das Ende der Krone, fühlten viele, würde ihre Rückkehr nach Europa krönen. Doch unter der Regierung Topolánek wich die Emotion nüchternem Pragmatismus. Keine andere Währung der Welt hat in den letzten Jahren zum Euro so stark aufgewertet wie die tschechische Krone. Auslandsreisen wurden leistbar, Importprodukte billiger, die Inflation blieb moderat. So konnte sich Tschechien elegant an das höhere Preisniveau der EU anpassen. Warum also den Euro übernehmen? Irgendwann muss es sein, das war eine EU-Bedingung. Doch durch Nichterfüllung der Kriterien lässt sich der Zeitpunkt hinauszögern. Nur die Exporteure stöhnen unter der Härte der eigenen Währung. Schon prescht der größte vor: Autohersteller Skoda will seine Lieferanten in Euro entgelten. Wenn das Schule macht, hält die EU-Währung durch die Hintertür Einzug.

Wie schmerzvoll die Fixierung auf den Euro sein kann, mussten die baltischen Staaten erfahren. Ihrem Abschied von freien Wechselkursen folgte eine zweistellig dahingaloppierende Inflation. Welch bittere Ironie: Die Furcht der EU-Währungshüter vor ansteckender Teuerung verzögert den letzten Konvergenzschritt, die Euro-Einführung. Vor 2012 werden es Lettland, Estland und Litauen nicht schaffen, erhob Reuters in einem Marktkonsens.

Noch länger wird es für die drei übrigen Aspiranten dauern. Rumänien und Bulgarien, die Beitritts-Nachzügler von 2007, erfüllen die Maastricht-Kriterien besser als das krisengeschüttelte Ungarn. Nur das Vertrauen in ihre allzu volatilen Währungen muss wachsen, damit man sie bis 2015 im Euro-Club willkommen heißt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2008)

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