EU-Wahl: ÖVP droht schwere Schlappe

(c) AP (Christian Lutz)
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Der Volkspartei droht bei der EU-Wahl laut Prognose schlechtestes Resultat, seit es EU-Wahlen gibt. Drei von zehn Österreichern könnten FPÖ oder BZÖ wählen – so viele wie nie zuvor.

BRÜSSEL. Acht Wochen vor der Wahl zum Europaparlament ereilt die Österreichische Volkspartei aus Brüssel eine schlechte Nachricht. Laut einer neuen Prognose der Politikwissenschaftler Simon Hix, Nick Vivyan (beide London School of Economics) und Michael Marsh (Trinity College Dublin) droht der ÖVP das schlechteste Ergebnis, seit es in Österreich Europawahlen gibt. Sie werde fast vier Prozentpunkte gegenüber dem Ergebnis von 2004 verlieren und somit das erklärte Ziel des Spitzenkandidaten Ernst Strasser verfehlen, nach zehn Jahren wieder vor der SPÖ die stimmenstärkste österreichische Fraktion im EU-Parlament zu werden.

Jeder fünfte Österreicher werde FPÖ wählen, ergab die Studie, die auf sämtlichen bisherigen Wahlergebnissen sowie jüngsten Umfragen basiert. Sie wurde von der Lobbyingagentur Burson Marsteller in Auftrag gegeben und am Dienstag in Brüssel präsentiert. Zählt man zu den erwarteten FPÖ-Stimmen noch jene hinzu, die dem BZÖ prognostiziert werden, so würde das rechtsnationale österreichische Lager erstmals bei den EU-Wahlen insgesamt knapp 30 Prozent erreichen – und damit unter Umständen die selbst erklärte Europapartei ÖVP überholen. Eine wahrscheinliche Kandidatur Hans-Peter Martins wurde in der Studie bewusst nicht berücksichtigt.

Der große Erfolg des österreichischen rechten Lagers bei der EU-Wahl wäre im Europa-Gesamtbild aber eher untypisch. So verliere zum Beispiel der rechtsextreme belgische Vlaams Belang der Studie zufolge ein Viertel seiner Stimmen und komme auf 10,8 Prozent. Den Front National von Jean-Marie Le Pen würden heuer nur noch 5,9 Prozent der Franzosen wählen, damit würde er sich fast halbieren.

Denn Gegner und Kritiker der EU würden, gesamteuropäisch gesehen, diesmal wieder eher die Konservativen wählen, zu einem geringeren Teil auch die Sozialdemokraten, glaubt Hix. Als Grund nennt er die Finanz- und Wirtschaftskrise, in der Wähler voraussichtlich eher den Großparteien vertrauen. Der Erfolg von Regierungsparteien werde freilich relativ sein, denn immerhin handle es sich um „mid-term elections“, sagte Hix zur „Presse“. Das heißt, bei Wahlen zwischen Nationalratswahlen würden die Koalitionsparteien fast automatisch „abgestraft“. „Der Trend geht bei der EU-Wahl schon insgesamt hin zu kleineren und Protestparteien.“

So hätten die SPÖ und die ÖVP einen Nachteil gegenüber den Oppositionsparteien, insbesondere gegenüber der FPÖ. Eine „besondere Herausforderung“ für die anderen Parteien sei außerdem das erstmals für das EU-Parlament kandidierende BZÖ, sagte Hix.

Gute Aussichten für Barroso

An der Tatsache, dass die Europäische Volkspartei die stärkste Fraktion im EU-Parlament vor den Sozialdemokraten ist, werde sich bei den Wahlen im Juni aber nichts ändern. Auch die ÖVP gehört der EVP an. Große Verschiebungen zwischen den EU-Fraktionen seien insgesamt nicht zu erwarten.

Das ist auch wichtig für die Bestellung des nächsten EU-Kommissionspräsidenten ab Herbst 2009: Dieser wird den EU-Gepflogenheiten zufolge von der stimmenstärksten Fraktion im EU-Parlament gestellt.

Erfüllt sich also diese Prognose, dann hätte der portugiesische Konservative José Manuel Barroso gute Chancen, erneut zum Kommissionschef bestellt zu werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2009)

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