Die EU-Parlamentarierin Mairead McGuinness sieht schwerwiegende Folgen für ihre Heimat, Irland, und sorgt sich zugleich um die britische Lebensmittelpolitik.
Wien. Mitte Dezember stand die irische Europaparlamentsabgeordnete Mairead McGuinness kurz vor einem nicht unbedeutenden Karrieresprung: Sie wurde mehrfach als beste Kandidatin für den Job einer Präsidentin des Europäischen Parlaments genannt. Nun, ihre Fraktion, die Europäische Volkspartei (EVP), entschied sich anders und nominierte Antonio Tajani, der letztlich das Rennen um den EU-Parlamentspräsidenten gewann.
Die Schlussfolgerung, dass das Parlament noch nicht reif für eine Frau sei, lässt sie aber nicht gelten. „Nein, immerhin bin ich erste Vizepräsidentin“, meinte sie bei einem Wien-Besuch zur „Presse“. Und ja, natürlich habe sie gewinnen wollen. „Aber bei jedem Rennen kann es nur einen Sieger geben.“
Das wichtigste Thema ist für McGuinness aber derzeit zweifellos der Brexit. Als Irin (von der Fine Gael Party) ist sie direkt betroffen. Die Auswirkungen seien für Irland besonders schwerwiegend. Trotz des wirtschaftlichen Drucks auf Dublin ist es für McGuinness „undenkbar“, dass ihr Heimatland sich von Europa entfernen und in Richtung London gehen könnte. „Früher sind wir von Großbritannien fast erstickt worden, in der EU sind wir gleichgestellt – und wir wollen sicher nicht in die Vergangenheit zurück.“ Grundsätzlich glaubt McGuinness, dass der Brexit trotz all seiner negativen Auswirkungen den großen Rest der EU mehr zusammenschweißen werde. „Die EU-27 wird durch den Brexit stärker werden“, zeigt sich die Abgeordnete optimistisch.
McGuinness, die anlässlich der Wintertagung des Ökosozialen Forums Europa in Wien weilte, ist auch Mitglied des Agrarausschusses im Europaparlament und daher besonders an diesen Themen interessiert. „Derzeit gehen 40Prozent unserer Agrarexporte ins Vereinigte Königreich.“ Irland werde aber nach dem Brexit sein Rindfleisch in andere Länder exportieren müssen. Mittelfristig müsse man sich über die britische Lebensmittelpolitik Gedanken machen. Das Land könne sich nicht selbst versorgen und habe bisher die Politik verfolgt, die Lebensmittelpreise niedrig zu halten. „Meine größte Sorge ist, dass London in Zukunft billige Lebensmittel für die eigenen Verbraucher global einkauft.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2017)