"Großbritannien steht wie ein Felsen hinter Gibraltar"

Gibraltar
Gibraltar(c) REUTERS (Jon Nazca)
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Madrid bekommt ein Vetorecht bei den Entscheidungen über das britische Terrain im Süden der Iberischen Halbinsel. London ist erzürnt und sichert Gibraltar Rückhalt zu.

Madrid.Es ist eine kleine diplomatische Schlappe, die in Großbritannien aber noch größere politische Wellen auslösen könnte: Die EU-Verhandlungslinien zum Brexit sehen vor, dass künftige Handelsabkommen mit den Briten nicht automatisch auf die Kronkolonie Gibraltar übertragen werden. Verträge über eine mögliche Freizügigkeit des Waren- und Personenverkehrs müssen demzufolge vor der Anwendung auf Gibraltar von Spanien gebilligt werden. Damit würde Madrid ein Vetorecht bekommen, um Forderungen nach einer schrittweisen Rückgabe der Kolonie, die für viele Briten unantastbar ist, Nachdruck zu verleihen.

Madrid jubelt, in London ist man währenddessen alles andere als „amused“. Die 30.000 Bewohner auf dem „Affenfelsen“, wie die britische Kolonie an der Südspitze der Iberischen Halbinsel auch genannt wird, sind empört. Sie gelten in ihren Gefühlen für die Krone als britischer als die meisten Briten. Die Gibraltarer hatten in einem Referendum 2002 mit 99 Prozent der Stimmen bekräftigt, dass sie zum Vereinigten Königreich gehören. Und sie hatten einer geteilten Verwaltung ihrer Kolonie durch Madrid und London eine Abfuhr erteilt.

„Wie ein Felsen hinter Gibraltar“

Zugleich ist die Minikolonie, die sich dank niedriger Steuersätze und Tausender Briefkastenfirmen zum Finanz- und Shoppingparadies entwickelte, eine proeuropäische Hochburg. Im Juni stimmten 96 Prozent gegen den Brexit – die 30.000 Bewohner leben überwiegend vom Handel mit Spanien. Die guten Geschäfte sind mit dem Brexit, der auch Gibraltar aus der EU katapultiert, in Gefahr geraten. Die Kolonie mit ihrem 400 Meter hohen Felsen, auf dem die letzten freilebenden Affen Europas leben, gehört seit über 300 Jahren zum britischen Königreich.

Angesichts des drohenden Gibraltar-Rückschlags im Brexit-Ringen mit der EU versucht London nun die aufgebrachte Bevölkerung in der Kolonie zu beruhigen: Premierministerin Theresa May sicherte gestern Gibraltar festen Rückhalt beim EU-Austritt zu. Sie habe bereits mit dem Regierungschef des britischen Überseegebiets, Fabian Picardo, gesprochen. „Großbritannien steht wie ein Felsen hinter Gibraltar“, erklärte auch Außenminister Boris Johnson.

Die EU-Richtlinien mit der Gibraltar-Klausel für die Brexit-Verhandlungen sind bisher nur ein Entwurf, den EU-Ratspräsident Donald Tusk vorgelegt hat. Ende April müssen die EU-Staats- und Regierungschefs der verbleibenden 27 EU-Mitglieder auf einem Sondergipfel in Brüssel noch zustimmen. Sollten die Verhandlungsgrundsätze angenommen und Gibraltar tatsächlich von allen Brexit-Abkommen ausgeschlossen werden, würde die Position der Kolonie deutlich geschwächt. Für Gibraltar existenzielle Themen wie freier Handel und Grenzverkehr müsste Großbritannien in direkten Gesprächen mit Spanien aushandeln.

Madrid machte bereits klar, dass es dann die Daumenschrauben anlegen und Freizügigkeit für die ungeliebte Kolonie, die wie ein Stachel im Fleisch der Iberischen Halbinsel sitzt, nur gegen Zugeständnisse bei der Souveränität akzeptieren wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2017)

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