Frontex: Weniger Migranten, aber Rekordzuwachs im Süden

Flüchtlinge landen in Salerno/Italien.
Flüchtlinge landen in Salerno/Italien. (c) imago/Independent Photo Agency (Michele Amoruso / IPA)
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Die Zahl der Zuwanderer in die EU ist gegenüber dem Vorjahr um 68 Prozent gesunken. Aber Italien und Spanien stehen dennoch vor unlösbaren Aufgaben.

Rom. Der Strom an Migranten, die in die EU drängen, hat sich im ersten Halbjahr 2017 insgesamt abgeschwächt. Gegenüber dem Vergleichszeitrum 2016 ist die Zahl sogar um 68 Prozent gesunken. Doch obwohl dies für viele Staaten wie Österreich eine Entlastung bedeutet, spitzt sich die Lage insbesondere in Italien und nun auch in Spanien zu. So wurden dreimal mehr Ankommende in Spanien registriert, in Italien stieg die Zahl um 21 Prozent. Allein im Juni wurden 30.700 illegale Migranten auf den Hauptflüchtlingsrouten aufgegriffen. Die Gesamtzahl betrug 116.000. Allein 85.000 kamen über die Mittelmeerroute nach Italien. Auf der Balkanroute gibt es hingegen keine wesentliche Reisetätigkeit mehr. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Statistik der EU-Grenzschutzagentur Frontex hervor.

Waren es in den vergangenen Jahren vor allem Kriegsflüchtlinge aus Syrien, die in die EU gedrängt sind, so bilden nun Personen aus Nigeria und Guinea die größten Gruppen. Wer in der EU um Asyl ansuchen möchte, muss illegal einwandern, weil es keine ausreichenden anderen Möglichkeiten gibt, bereits außerhalb der EU um Asyl anzusuchen. Viele der Migranten, die im vergangenen Halbjahr in die EU gekommen sind, haben aber kaum Chance, als Flüchtling anerkannt zu werden.

Keine Signale an Boote

Die italienische Regierung hat indessen Regeln für Flüchtlingshilfsorganisationen vorbereitet, die deren Möglichkeiten, Migranten die sichere Überfahrt über das Mittelmeer zu erleichtern, deutlich einschränkt. In Rom wird damit argumentiert, dass nur so dem wachsenden Ansturm entgegengewirkt werden kann. Halten sich die Schiffe der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) nicht an die neuen Regeln, soll ihnen der Zugang zu italienischen Häfen künftig verwehrt werden.

Vorgesehen ist, dass sich NGOs nicht mehr per Mobiltelefon oder Leuchtsignale mit den Booten von Migranten verständigen dürfen. Ihnen wird nämlich vorgeworfen, dass sie mit Schlepperorganisationen kooperieren. Insbesondere dürfen sie die Boote der Migranten nicht mehr darüber informieren, wie sie ungehindert ihre Reise fortsetzen können. Außerdem müssen NGOs akzeptieren, dass ihre Schiffe bei Bedarf von Sicherheitsbeamten begleitet werden. Die Hilfsorganisationen dürfen Migranten künftig auch nicht zu anderen Schiffen – etwa jenen der italienischen Küstenwache – überstellen. Wenn sie in Seenot geratene Personen auflesen, müssen sie diese selbst zu italienischen Häfen bringen. Von Amnesty International und Human Right Watch wurde bereits heftiger Protest gegen die vorgesehenen Regeln eingelegt. Damit werde das Leben von Tausenden Menschen gefährdet.

Pakt mit libyschen Städten

Allein in den vergangenen zwei Tagen wurden 6800Menschen aus dem Meer gerettet und nach Italien gebracht. Das berichtet die italienische Küstenwache. Italiens Innenminister, Marco Minniti, sucht neben den Einschränkungen für NGOs auch weitere Möglichkeiten, um den Strom einzudämmen. Am Donnerstag reiste er in die libysche Hauptstadt, Tripolis, wo er mit 13 Bürgermeistern von Städten im Süden des Landes zusammentraf.

Ziel sei es, die Unterstützung der Bürgermeister im Kampf gegen die Schlepperei zu gewinnen, so Minniti. Italiens Regierung will mit dieser Aktion die Tatsache umgehen, dass es derzeit keine Zentralregierung in Libyen gibt, die in allen Landesteilen anerkannt wird. Um den libyschen Bürgermeistern die Zusammenarbeit schmackhaft zu machen, wollte der Innenminister Freundschaftspakte anbieten. Sie sollen die Wirtschaft der Städte sowie die Wiederbelebung administrativer Tätigkeiten unterstützen. Diskutiert wurde auch die Möglichkeit, Milizionäre in die libysche Grenzwache aufzunehmen. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2017)

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