Brenner-Warnungen aus Österreich werden Italien zu "mühsam"

APA/AFP/ISSOUF SANOGO
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Rom ist über die Drohungen von Innenminister Sobotka und Außenminister Kurz, den Brenner schließen zu wollen, verärgert. Sobotka fordert Strafen für Hilfsorganisationen, die mit Schleppern kooperieren.

Die ÖVP erntet mit ihren Drohungen, die Brennergrenze zu schließen, Kritik aus Italien: "Es wäre mühsam für uns, jede Woche auf die x-te Kehrtwende reagieren zu müssen", erklärte der Staatssekretär für Europa-Fragen, Sandro Gozi, am Montagabend laut Medienangaben.

Außenminister Sebastian Kurz hatte Italien am Montag erneut vor einem "Weiterwinken" von Flüchtlingen Richtung Norden gewarnt. Notfalls, so der ÖVP-Chef, "werden wir die Brenner-Grenze schützen". Auch Innenminister Wolfgang Sobotka bekräftigte in einem Interview seine Drohung, die Brennergrenze zu schließen: „Wir machen den Brenner zu, wenn die Zahl der illegalen Einwanderer nach Österreich steigt“, sagte er der "Bild"-Zeitung. „Binnen 24 Stunden können wir mit Soldaten die grüne Grenze abriegeln und mit Zoll und Polizei scharfe Grenzkontrollen realisieren.“

Die Lage am Brenner sei entspannt, versicherte hingegen Gozi. "Die Brenner-Frage ist bereits vor einigen Tagen bei einem fruchtbaren telefonischen Gespräch zwischen dem österreichischen Bundeskanzler Christian Kern und Italiens Premier Paolo Gentiloni gelöst worden. Dabei hat Kern hervorgehoben, dass Österreichs Kooperation mit Italien wirklich gut ist und die Aussicht, dass Panzer an den Brenner entsendet werden könnten, als Missverständnis bezeichnet", betonte der italienische Staatssekretär.

Die Worte von Kurz wenige Tage nach dem Gespräch zwischen Kern und Gentiloni würden daher wie ein "Déjà-vu" klingen, kritisierte Gozi. "Wie Kern gesagt hat, es gibt keine Anzeichen dafür, dass Italien die Lage an der Grenze nicht unter Kontrolle habe", sagte er.

Sobotka: "Selbst ernannte Seenotretter"

Sobotka hat in dem Interview mit der "Bild"-Zeitung auch Strafen für "selbst ernannte Seenot-Retter" im Mittelmeer gefordert. Einzelnen Hilfsorganisationen warf er vor, direkt mit Schlepperbanden vor der libyschen Küste zu kooperieren. "Es ist absehbar, dass sich die Lage zuspitzt, dass das nicht gut geht", sagte er angesichts der steigenden Flüchtlingsankünfte in Italien.

Schon jetzt sei "ein Drittel der in Österreich aufgegriffenen Migranten nicht in anderen EU-Staaten registriert worden", sagte Sobotka. "Das heißt: Sie wurden von kriminellen Banden auf illegalen Routen zu uns geschleust."

Wichtig sei, "dass selbst ernannte Seenotretter aus Europa nicht mehr bei den Schleusungen helfen, nicht mehr mit den Banden kooperieren", sagte der Minister. Natürlich dürfe niemand im Mittelmeer ertrinken. "Wir müssen aber trotzdem unterbinden, dass sogenannte Helfer weiterhin mit ihren Booten in libysche Hoheitsgewässer eindringen und dort die Flüchtlinge von den Schleppern direkt übernehmen." Die EU-Innenminister hatten daher vergangene Woche ein "klares Regelwerk" für Hilfsorganisationen im Mittelmeer gefordert.

Italien rechnet mit Rekordzahl von Flüchtlingen

Die Zahl der Flüchtlinge, die seit Anfang 2017 über das Mittelmeer nach Italien gekommen sind, ist gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen. 93.292 Migranten erreichten seit Jahresbeginn die italienische Küste, das sind 16,7 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die meisten Migranten stammen aus Nigeria, Bangladesch, Guinea, Cote d'Ivoire (Elfenbeinküste) und Gambia. Italien versorgt derzeit etwa 200.000 Flüchtlinge in Hotspots und anderen Einrichtungen. Insgesamt rechnet die italienische Regierung in diesem Jahr mit einer Rekordzahl von rund neu ankommenden 220.000 Bootsflüchtlingen.

(APA)

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