Integration

Österreichs Kreuz mit dem Islam

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Moslemische Einwanderer und ihre Nachkommen sind in Österreich weniger tief verwurzelt als in anderen EU-Staaten. Was auch an den Österreichern selbst liegen dürfte.

Wien. Wie gut integriert sind moslemische Einwanderer und ihre Nachkommen in ihrer europäischen Wahlheimat – und wie gestaltet sich das Zusammenleben mit den nichtmoslemischen Mitbürgern? Dieser Frage ist die Bertelsmann Stiftung bereits zum dritten Mal nachgegangen. Im Rahmen des am heutigen Donnerstag publizierten Religionsmonitors befragten Forscher der deutschen Ideenschmiede rund 8500 Menschen in vier Mitgliedsstaaten der EU (Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Österreich) sowie in der Schweiz. Das gesamteuropäische Fazit der Studie: Grosso modo ist die Integration moslemischer Einwanderer in Europa eine Erfolgsgeschichte. Doch es gibt auch Defizite – und sie sind ausgerechnet hierzulande besonders gut sichtbar.

Dass die Eingliederung in die österreichische Gesellschaft holprig verläuft, scheint zunächst einmal nicht an einer ausgeprägten Frömmigkeit der Moslems in Österreich zu liegen. Gemäß der Bertelsmann-Studie bezeichnen sich 92 Prozent der Befragten als hoch- bzw. mittelreligiös (bei den österreichischen Katholiken liegt der Anteil übrigens bei 81 Prozent). Mit diesem Wert liegt Österreich im Mittelfeld – die Moslems in Frankreich und Großbritannien sind religiöser, jene in Deutschland und der Schweiz weniger strenggläubig.

Doch bereits beim ersten Schritt Richtung erfolgreiche Eingliederung – dem Spracherwerb – hakt es. So lernen lediglich 70 Prozent der Nachkommen moslemischer Einwanderer hierzulande die Sprache ihrer neuen Heimat als erste Sprache im Kindesalter (siehe Grafik). In Deutschland liegt dieser Anteil bei 73, in Frankreich sogar bei 93 Prozent. Lediglich die Schweiz hat diesbezüglich eine noch schlechtere Bilanz vorzuweisen. Das Sprachdefizit ist problematisch, da eine möglichst lange Bildungslaufbahn von der Bertelsmann Stiftung als besonders integrationsstiftend hervorgehoben wird – und wer die Landessprache nicht gut beherrscht, scheidet üblicherweise früher aus dem Bildungssystem aus.

Die vergleichsweise geringe Sprachkompetenz dürfte mit ein Grund dafür sein, dass moslemische Österreicher eher wenig Kontakt zu Nichtmoslems haben – was sowohl für die Einwanderergeneration als auch für ihre Nachkommen gilt. Und auch die Verbundenheit mit Österreich als Heimat ist vergleichsweise gering – wobei es hier einen Generationsunterschied gibt: Es sind vor allem die Erstankömmlinge, die sich für Österreich nicht ganz erwärmen konnten, während sich ihre Kinder zu 92 Prozent mit Österreich verbunden fühlen – ein höherer Anteil als in Großbritannien (90 Prozent) und gleich hoch wie in Frankreich. In Deutschland und der Schweiz ist die Verbundenheit mit der neuen Heimat allerdings deutlich stärker – und zwar generationsübergreifend.

Die vergleichsweise suboptimale Integration dürfte zu einem gewissen Teil mit der Nichtteilnahme am Arbeitsmarkt zu tun haben – jeder fünfte Moslem in Österreich ist arbeitslos bzw. Nichterwerbsperson, nur in Frankreich ist dieser Anteil mit 34 Prozent höher. Allerdings scheinen auch die Hürden für eine erfolgreiche Eingliederung in die Mehrheitsgesellschaft hierzulande höher und die Willkommenskultur schwächer ausgeprägt zu sein als anderswo.

Unbeliebt und diskriminiert

So wollten 28 Prozent der befragten Österreicher keine Moslems als Nachbarn haben – das sind exakt doppelt so viele wie in Deutschland. Diese Haltung spiegelt sich in den Erfahrungsberichten der Moslems zweiter Generation wider: Lediglich 33 Prozent gaben an, in Österreich noch keine Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht zu haben. In Deutschland waren es 62 Prozent.

Dass es kein islamspezifisches Problem ist, lässt sich auch daran ablesen, dass sich acht Prozent der Österreicher keine Juden und zehn Prozent keine Menschen anderer Hautfarbe als Nachbarn wünschen – beides unrühmliche Spitzenwerte in der Bertelsmann-Umfrage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2017)

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