Die Schlepper testen offenbar Ausweichwege. Migrantenboote landen an Rumäniens Schwarzmeerküste. Auch in Griechenland steigt die Zahl der Neuankünfte.
Belgrad/Bukarest. Sind die Aufgriffe von Flüchtlingsbooten vor Rumäniens Küste Einzelfälle oder Vorboten einer neuen Schlepperroute über das Schwarze Meer? Erst am Wochenende spürte Rumäniens Küstenwache unweit der Hafenstadt Constanţa zum zweiten Mal innerhalb von acht Tagen ein aus der Türkei stammendes Fischerboot mit 70 Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak auf. Zuletzt war ein Schlepperboot im September 2015 vor der Schwarzmeerküste des Karpatenstaats aufgegriffen worden. Im vergangenen Jahr wies die Statistik selbst nur einen Flüchtling auf, der die illegale Einreise über das Meer versuchte.
Gegenüber der Nachrichtenagentur BIRN äußerte ein Mitarbeiter der rumänischen Immigrationsbehörden in dieser Woche denn auch die Vermutung, dass Schleppernetzwerke derzeit „neue Routen austesten“: „Eine davon geht über das Schwarze Meer und Rumänien.“ Auch über den Landweg von Bulgarien vermelden die Grenzbehörden an der Schwarzmeerküste vermehrte Schlepperaktivität. Im Landesinnern ist die Donau auf 470 der 605 Kilometer der Grenze mit Bulgarien für die Schlepper eine natürliche Barriere.
Offiziell gilt der Flüchtlingskorridor über die sogenannte Balkanroute seit Frühjahr vergangenen Jahres als abgeriegelt. Doch die Route ist – wenn auch in erheblich geringerem Maße – weiter aktiv.
Die meisten der von der Türkei einreisenden Flüchtlinge versuchten bisher, über Bulgarien und Serbien nach Mitteleuropa zu gelangen. Wegen des mehrfach verstärkten Grenzzauns zwischen Ungarn und Serbien scheint jedoch vermehrt auch Rumänien zum Transitland zu mutieren.
Verschiebung nach Osten
In den ersten sechs Monaten dieses Jahres hat sich die Zahl der von Rumäniens Grenzschutz aufgegriffenen Migranten mit 2474 gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt, die an der Nordwestgrenze zu Serbien und Ungarn gar verdreifacht.
Galt die ungarisch-rumänische Grenze zunächst als Ausweichroute für in Serbien gestrandete Flüchtlinge, deuten die in den vergangenen Monaten in Bulgarien und Rumänien aufgespürten Schlepper-Lkw darauf hin, dass sich die sehr bewegliche Balkanroute nach Osten zu verschieben beginnt: Vermehrt steuern aus der Türkei nach Bulgarien gelangende Schleppertransporte direkt die ungarisch-rumänische Grenze ohne den Umweg nach Serbien an.
Das Ausweichen auf das Schwarze Meer scheint auch eine Reaktion auf die verschärften Kontrollen an der weitgehend abgezäunten Landgrenze zwischen Bulgarien und der Türkei zu sein. Vergangene Woche kündigte Bulgariens neue rechte Regierung an, trotz stark gesunkener Flüchtlingszahlen mit der Armee die Absicherung seiner Grenzen zu verstärken.
Am Wochenende wurden auf den griechischen Inseln in der Ostägäis mit 633 Flüchtlingen deutlich mehr Migranten als in den Vormonaten registriert. Allein am Samstag waren es 308 Neuankünfte. Auch an der griechisch-türkischen Landgrenze registriert die Polizei verstärkte Schlepperaktivitäten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2017)