Streit um Flüchtlinge: Merkel lässt Ungarns Verbleib in EU offen

AFP (THIERRY CHARLIER)
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Dass Ungarn auch nach dem Urteil keine Flüchtlinge aufnehmen solle, sei nicht hinzunehmen, sagt die deutsche Kanzlerin Angela Merkel.

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel hat wegen des Streits um die Flüchtlingspolitik den Verbleib Ungarns in der EU offen gelassen. Dass eine Regierung sage, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs interessiere sie nicht, sei "nicht zu akzeptieren", sagte Merkel der "Berliner Zeitung". Dass Ungarn auch nach dem Urteil keine Flüchtlinge aufnehmen solle, sei nicht hinzunehmen.

Auf die Frage, ob dies heiße, dass Ungarn die EU verlassen müsse, sagte die Kanzlerin in der Dienstagsausgabe der Zeitung, für sie werde "eine sehr grundsätzliche Frage Europas berührt", da Europa für sie "ein Raum des Rechts" sei. "Wir werden beim Europäischen Rat im Oktober darüber reden müssen", kündigte sie an.

"Ein dickes Brett zu bohren"

Ihren grundsätzlichen Kurs in der EU-Flüchtlingspolitik sieht Merkel durch die Haltung einiger osteuropäischer Staaten nicht gefährdet. "Es ist ein offensichtlich sehr dickes Brett, das da zu bohren ist", sagte sie der "Berliner Zeitung". Die gesamte EU sei sich einig über den Schutz der Außengrenzen, über Entwicklungshilfe und Bekämpfung der Fluchtursachen sowie Migrationspartnerschaften mit afrikanischen Staaten. Auch wollten die Staaten das Asylsystem in der EU gemeinsam "krisenfester als in der Vergangenheit ausgestalten", sagte Merkel.

Bei der solidarischen Verteilung von Flüchtlingen in Europa seien es von derzeit 28 Mitgliedstaaten nur drei bis vier Staaten, die dies rigoros ablehnten, sagte die Kanzlerin. Alle anderen hätten sich bereit erklärt, "ihren Anteil zu tragen", und nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs sei "selbst beim slowakischen Ministerpräsidenten Bewegung zu erkennen", fügte sie hinzu.

Vergangenen Mittwoch hatte der EuGH die Klage von Ungarn und der Slowakei gegen die EU-Quotenregel abgewiesen, nach der jedes Land eine bestimmte Anzahl von Flüchtlingen aufnehmen muss. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sah darauf hin weiter keinen Grund, etwas an der Flüchtlingspolitik Ungarns zu ändern. Er habe das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EUGH) zur Verteilung von Flüchtlingen zur Kenntnis genommen, sagte der rechtsnationale Politiker im staatlichen Rundfunk.

Gleichzeitig betonte er aber auch, dass Ungarn kein Einwanderungsland werde. Aus dem Urteil folge nicht, dass "wir einfach hinnehmen müssten, mit wem wir zusammenleben sollen, denn darüber werden wir Ungarn bestimmen", betonte Orban. "Die Einwanderungsländer wollen uns ihre Logik aufzwingen, aber wir haben niemanden zu uns eingeladen, wir wollen kein Einwanderungsland werden."

Orban sagte weiters: "Bisher haben wir einen juristischen Kampf geführt, jetzt müssen wir einen politischen Kampf führen." Budapest müsse erreichen, dass der Quotenbeschluss von 2015 revidiert wird und kein anderer Verteilungsmechanismus für Asylbewerber an seine Stelle tritt. Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto hatte das Urteil als "empörend" zurückgewiesen. Es sei Ausfluss einer Politik, die "das europäische Recht vergewaltigt".

(APA/dpa/Reuters/AFP)

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