Rechnungshof zerpflückt Griechenland-Rettung

Die Regeln für die Griechenland-Rettung wurden hastig zusammengerafft.
Die Regeln für die Griechenland-Rettung wurden hastig zusammengerafft.EPA
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Die Kommission verfolgte Athens Reformversprechen selten, Griechenlands Politiker sabotierten, die EZB entzog sich gleich ganz der EU-Kontrolle.

Brüssel. Knapp 370 Milliarden Euro an Notkrediten haben Griechenlands Regierungen seit dem Frühjahr 2010 von den anderen Mitgliedern der Eurozone erhalten, um den Staatsbankrott abzuwenden. Dennoch ist das Land noch immer von dieser staatlichen Hilfsfinanzierung abhängig, die Ankündigung von Ministerpräsident Alexis Tsipras, im August 2018 nach Ende des dritten dieser europäischen Hilfsprogramme endlich auszusteigen und sich wieder aus eigener Kraft an den Finanzmärkten zu finanzieren, ist angesichts der zahlreichen bisherigen Athener Versprechen und ihrer Nichteinhaltung mit Vorsicht zu genießen. Woran krankte die Griechenland-Rettung?

Der Europäische Rechnungshof hat sich dieser Frage in einer Sonderprüfung angenommen, die am Donnerstag in Form eines Berichts vorlag. Quintessenz dieser Untersuchung: Die drei Programme der Jahre 2010, 2012 und 2015 haben Griechenland zwar kurzfristig vor der Zahlungsunfähigkeit gerettet und die Grundlagen für strukturelle Reformen des aufgeblähten und ineffizienten Staatsapparates sowie der überregulierten Märkte geschaffen. „Doch sie haben keinen Erfolg darin gehabt, die Fähigkeit des Landes wiederherzustellen, seinen Bedarf an den Märkten zu finanzieren“, heißt es im Bericht.

Vor allem den ersten beiden Programmen, die unter Einbeziehung des Internationalen Währungsfonds vonseiten der Europäer durch die Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) nach den politischen Vorgaben der Regierungen der Euroländer geplant und vollzogen wurden, mangelte es an mehreren Notwendigkeiten für den Erfolg. Erstens betraten die Europäer Neuland: Noch nie mussten sie zuvor eines der ihren Länder in der Eurozone aus der Bredouille retten. Die Regeln für die Griechenland-Rettung wurden folglich hastig zusammengerafft, ohne sich zu überlegen, welche Reformen im Gegenzug für die Auszahlung von Kredittranchen besonders wichtig sind. Zweitens prüfte die Kommission fast durchwegs nur, ob in Athen entsprechende Reformgesetze formal beschlossen wurden – aber nicht, ob sie umgesetzt wurden. Drittens, und das wiegt wohl am schwersten, sabotierten viele griechische Regierungsstellen die Reformen – vor allem nach der Regierungsübernahme durch Tsipras' linkspopulistische Partei Syriza, die 2015 eine Volksabstimmung über die Fortsetzung der Reform vom Zaun brach.

Schlüsselrolle der EZB ungeprüft

Die Prüfer wollten auch die Rolle der EZB untersuchen. Doch die Bank verweigerte ihnen die nötigen Unterlagen, weil sie den Rechnungshof als nicht dazu befugt betrachtete. Dabei hatte die EZB in kritischen Momenten eine Schlüsselrolle, allem voran am 4. Februar 2015, als sie beschloss, griechische Staatsanleihen von Banken nicht mehr als Pfand für kurzfristige Finanzierungen zu akzeptieren. Das ließ die Kreditkosten der griechischen Banken rasant in die Höhe schießen und verschärfte den Druck auf Tsipras, sich den Bedingungen seiner Geldgeber zu fügen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2017)

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