Auf dem Weg zur Europa-Armee?

Österreich könnte die Gebirgskampf-Ausbildung für europäische Armeen anbieten.
Österreich könnte die Gebirgskampf-Ausbildung für europäische Armeen anbieten.(c) Clemens Fabry
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Die EU-Länder haben eine engere militärische Zusammenarbeit beschlossen. Welche Aufgaben Österreich dabei trotz Neutralität wahrnehmen will.

Wien. „Es ist ein evolutionäres Projekt“, sagt Johann Frank, Leiter der Direktion Sicherheitspolitik im Verteidigungsministerium. Die „permanente strukturierte Zusammenarbeit“ (Pesco) der europäischen Armeen ist beim EU-Gipfel Mitte Dezember beschlossen worden. Wohin sie letztlich führen wird, scheint noch nicht so klar zu sein und wird in jedem Mitgliedsstaat anders gesehen. Eine gemeinsame Europa-Armee ist zumindest momentan nicht im Blickfeld. Pesco könnte aber eine Vorstufe dazu sein.

Derzeit steht aber anderes im Mittelpunkt: Zusammen arbeiten, Synergien nutzen, die militärische Verteidigung der einzelnen Länder aufeinander abstimmen. Zwanzig Verpflichtungen ist jedes Land mit Pesco eingegangen. Dazu gehört beispielsweise, das Verteidigungsbudget zu erhöhen, oder zwei Prozent der Verteidigungsausgaben für Forschung zu verwenden. Die wichtigste Verpflichtung lautet: Jedes Land muss an zumindest einem Pesco-Projekt teilnehmen.

Verpflichtung ohne Sanktionen

Wobei die Verpflichtung eine recht weiche ist: Sanktionen bei Nicht-Einhaltung sind nicht vorgesehen. Schlimmstenfalls kann die Mitgliedschaft bei Pesco suspendiert werden. Auch die Erhöhung des Verteidigungsbudgets ist nicht näher definiert – wäre somit auch schon bei einer Inflationsanpassung erreicht. Das österreichische Bundesheer sieht aber keine Probleme, die Pesco-Verpflichtungen einzuhalten. Eine Erhöhung des – im internationalen Vergleich sehr niedrigen – Verteidigungsbudgets ist ohnehin vorgesehen. Und schon jetzt ist die Beteiligung an vier Pesco-Projekten fixiert: Da geht es um grenzüberschreitenden Militärverkehr, Ausbildungsmissionen, gemeinsame Katastrophenhilfe und um eine Plattform für einen europaweiten Informationsaustausch bei Cyberbedrohungen.

Das sind allerdings noch keine großen Projekte, der finanzielle Aufwand dafür hält sich im Rahmen und besteht großteils aus Personalkosten. Für das kommende Jahr beträgt das Budget für sämtliche österreichische Beteiligungen an Pesco-Projekten eine Million Euro. Mittelfristig soll das Engagement aber deutlich steigen: Das Bundesheer arbeitet an zwei Projekten, die Österreich eigenständig einbringen will: Ein europäisches Gebirgskampfzentrum und ein Industrieprojekt.

Gebirgsjägerausbildung für Europa

Österreich bietet die Gebirgskampfausbildung für alle europäischen Armeen an, so das Konzept. Da bestehe aufgrund der Kompetenzen des Bundesheers großes Interesse bei anderen Armeen, sagt Frank. Offiziere und Unteroffiziere, aber auch Truppen könnten bei uns ausgebildet werden. Nähere Details werden derzeit geprüft – etwa, welche Größenordnung dieses Projekt haben soll. Dies hänge auch davon ab, wie viele Soldaten andere Armeen nach Österreich schicken wollen. Die Finanzierung könnte auch teilweise über EU-Mittel erfolgen. Die EU will einen europäischen Verteidigungsfonds einrichten und diesen in einem ersten Schritt mit fünf Milliarden Euro dotieren. Bis zu 30 Prozent der Projektkosten können daraus gefördert werden.

Das zweite Projekt soll der heimischen Industrie helfen, im Rüstungsbereich besser Fuß zu fassen. Es gehe darum, „intelligente Nischen“ zu finden, in denen heimische Unternehmen Kompetenzen haben und diese für das Militär nutzbar zu machen. Da gehe es beispielsweise um Sensorensysteme für Kleinflugzeuge, mit denen atomare und chemische Gefahren frühzeitig erkannt werden können.

Die Neutralität sieht man beim Bundesheer nicht als Hindernis für die Kooperation auf europäischer Ebene – selbst dann nicht, wenn Österreich die Gebirgskampfausbildung für andere Armeen macht. Da gebe es eine „rote Linie“, die nicht überschritten werden dürfe: Es darf kein Beistands-Automatismus ausgelöst werden. Ob also die Gebirgsjäger zum Einsatz kommen, müsse immer allein die Entscheidung Österreichs bleiben.

AUF EINEN BLICK

Pesco-Projekte. 17 Pesco-Projekte gibt es derzeit, an vier davon beteiligt sich Österreich:
Militärische Katastrophenhilfe: Das Projekt wurde von Italien eingereicht und sieht Hilfe des Militärs bei länderübergreifenden Naturkatastrophen, Notfällen und Pandemien vor.
Militärtransporte: Das von Deutschland initiierte Projekt soll den EU-Staaten helfen, einfachere, standardisierte und vor allem schnellere grenzüberschreitende Militärtransporte und Truppenbewegungen innerhalb der EU zu garantieren.
Kompetenzzentrum für EU-Trainingsmissionen: In diesem Projekt sollen die Kompetenzen von Militärausbildnern verbessert werden.
Cyberbedrohungen: Bei diesem von Griechenland eingebrachten Projekt geht es um den Aufbau aktiverer Verteidigungsmechanismen im Cyberraum und einer Plattform zum Informationsaustausch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2017)

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