Abschottung löst Probleme nicht

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Die große Mehrheit der Unionsbürger wünscht sich mehr EU-Integration – auch unter jenen, die die Globalisierung fürchten. Anhänger von Rechtsparteien bilden Ausnahme.

Wien/Gütersloh. Populistische Parteien in ganz Europa werben mit EU-kritischen, nationalistischen Slogans um Stimmen – und konnten damit in der jüngeren Vergangenheit teils beachtliche Erfolge feiern. Langfristig dürfte diese Strategie aber nicht zum Erfolg führen: Jedenfalls dann nicht, wenn auch Wähler außerhalb der eigenen Kernklientel angesprochen werden sollen. Das zeigt eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung, für die in einer repräsentativen Umfrage EU-weit über 10.000 Personen in den 27 Mitgliedstaaten – ohne Großbritannien – befragt wurden. Die Mehrheit der Unionsbürger betrachtet Abschottung als ungeeignete Antwort auf die Globalisierung. Vielmehr soll die EU als Schutzwall gegen deren negative Folgen dienen.

Knapp die Hälfte der Befragten (44 Prozent) sieht in der Globalisierung zwar eine Bedrohung, doch immer noch 45 Prozent dieser Gruppe wünschen sich mehr EU-Integration (41 Prozent sind für weniger Integration, 14 Prozent für die Beibehaltung des Status quo). Unter jenen 56 Prozent, die die Globalisierung als Chance betrachten, hofft hingegen sogar eine große Mehrheit von 66 Prozent auf eine engere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten (siehe Grafik). „Wenn es um die Gestaltung globaler politischer Herausforderungen und Steuerung internationaler Prozesse geht, sieht eine deutliche Mehrheit der Bürger die EU-Integration als Teil der Lösung“, resümiert Studienautorin und Europaexpertin der Bertelsmann-Stiftung Isabel Hoffmann die Ergebnisse.

Terrorismus im Fokus

Der Aspekt Sicherheit ist dabei zentral: So soll der Fokus der Union in den kommenden Jahren – darüber sind sich Globalisierungsgegner wie -befürworter einig – vor allem in der Bekämpfung des internationalen Terrorismus (25 Prozent) und der besseren Steuerung von Migration (20 Prozent) liegen.

Andere Themen wie „Bürgerrechte schützen“ (17 Prozent) oder „Frieden sichern“ (13 Prozent) rangieren im Mittelfeld, während für den Großteil das Schaffen von Wachstum (sechs Prozent), der Klimawandel (sieben Prozent), die Reduktion von Ungleichheit (sechs Prozent) und die Reparatur des Euroraums (fünf Prozent) eher nebensächlich sind.

Betrachtet man die Ergebnisse in den fünf größten Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich, Italien, Polen und Spanien nach Parteiaffinität (für Österreich gibt es keine repräsentativen Samples, wie Hoffmann auf „Presse“-Anfrage mitteilte), so zeigen sich freilich deutliche Unterschiede, was den Wunsch nach einem Mehr an Europa betrifft.

SPD-Wähler am EU-affinsten

Ein Großteil der Anhänger von Mitte-rechts- bis zu Linksparteien wünscht sich eine tiefere EU-Integration; lediglich Stammwähler von Rechtsparteien sind gegen eine solche Entwicklung. In Deutschland betrifft dies etwa 59 Prozent der AfD-Wähler (35 Prozent sind dafür). Am EU-affinsten sind SPD-Wähler (66 Prozent für mehr Integration), was deren Parteichef, Martin Schulz, in seiner stark proeuropäischen Haltung bestärkt. Danach folgen Anhänger der Grünen (65 Prozent), der CDU/CSU (63 Prozent) und der Linkspartei (62 Prozent). Bei der FDP dagegen ist die EU-Stimmung nicht ganz so gut (49 Prozent).

Ein ähnliches Bild zeigt sich in Frankreich, wo sich bei Les Républicains Freunde und Gegner einer stärkeren EU-Integration fast die Waage halten (42 Prozent zu 38 Prozent). Der rechte Front National hat wenig überraschend großteils Anhänger von „weniger Europa“ unter seiner Wählerschaft (64 Prozent). Bei Wählern der vom nunmehrigen Staatspräsidenten, Emmanuel Macron, gegründeten La République en Marche (LaREM) wollen dagegen 65 Prozent mehr EU-Integration. Macron hat dazu erst kürzlich seine ambitionierten Vorstellungen dargelegt: Er wünscht sich unter anderem ein eigenes Eurozonenbudget, EU-weite demokratische Konvente sowie eine gemeinsame europäische Sicherheits- und Asylpolitik.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2018)

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