Busek: Westeuropäer führen Spaltung Europas durch

Die Presse
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Die älteren EU-Mitglieder seien auf dem Weg, eine Ost-West-Teilung durchzuführen, sagt der Ex-Vizekanzler. Sie seien arrogant und ignorant.

Der frühere Vizekanzler Erhard Busek (ÖVP) wirft den westeuropäischen Staaten vor, die Länder östlich des ehemaligen Eisernen Vorhangs zu vernachlässigen. Arroganz und Unwissenheit gegenüber den Ländern Mitteleuropas würden dazu führen, dass diese sich "separieren", sagte er im APA-Interview. "Eigentlich sind die Westeuropäer auf dem Weg, eine Teilung Europas durchzuführen."

Viele Entwicklungen in den Visegrad-Staaten (Polen, Ungarn, Slowakei und Tschechien) seien "bedauerlich", letztlich aber "verständlich", so Busek, dessen Buch "Mitteleuropa Revisited" (mit Emil Brix) am heutigen Montag erscheint. "Es ist ja niemand hingegangen zu den Visegrad-Staaten und hat mit ihnen diskutiert." Stattdessen habe man ihnen Briefe geschrieben, um ihnen zu sagen, "was sie alles schlecht machen". Es brauche Zeit, die Folgen des Kommunismus zu überwinden. Dies hätten die älteren EU-Mitgliedsstaaten "völlig verkannt". Man habe sich nicht darum gekümmert, "wie die Dinge dort wirklich sind", beklagt der Vorsitzende des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM).

Tusk sei nur ein "Alibi"-Ratspräsident

Die Entscheidungsträger in der Europäischen Union hätten nicht die richtigen Konsequenzen aus dem EU-Beitritt der ehemals kommunistischen Staaten gezogen. Die neuen Mitgliedsstaaten seien "nicht in die Pflicht genommen" worden. Wichtige Funktionen in der EU würden immer nur mit Westeuropäern besetzt, und es gebe auch gar kein Bemühen darum, mitteleuropäische Persönlichkeiten zu suchen. Ratspräsident Donald Tusk erfülle lediglich eine "Alibifunktion". Zudem habe man in der Union die osteuropäischen Sprachen vernachlässigt, kritisiert Busek.

Auch Österreich beachte diese Länder weniger stark als noch vor dreißig Jahren. Die traditionelle Brückenfunktion zwischen Ost und West erfülle Österreich immer weniger."Bei uns ist es jetzt ja schon eine Sensation, wenn eine neue Außenministerin mit dem Personenzug nach Bratislava fährt. Dabei sollte das eine Selbstverständlichkeit sein", sagte er mit Blick auf die erste Auslandsreise von Karin Kneissl (FPÖ).

Konkrete Vorschläge für den Raum gebe es kaum, und wenn doch, seien sie "abenteuerlich". Als Beispiel nennt Busek die von der Regierung geplante Verlängerung der Transsibirischen Eisenbahn bis nach Wien. Dabei sei "längst bewiesen, dass das wirtschaftlich keine entscheidende Frage ist." Die Breitspurbahn sei "also gar nicht notwendig". Das Projekt habe man "irgendwo aus den Akten herausgezogen". "Vielleicht will irgendwer etwas am Bau verdienen", vermutet der frühere ÖVP-Chef.

Busek hätte Westbalkan "einfach aufgenommen"

Dass die EU den Staaten des Westbalkan einen Beitritt bis 2025 in Aussicht stellt, bewertet Busek positiv, vermisst allerdings auch hier "eine konsistente Vorstellung". Er selbst hätte "eine radikalere Strategie" verfolgt, und diese Staaten "schlicht und einfach" in die EU aufgenommen. "Sicher erfüllen sie in einigen Bereichen die Bedingungen nicht. Aber das tun auch einige jetzige Mitgliedsstaaten nicht." Die Staaten des Westbalkan müssten eng an die Gemeinschaft gebunden werden, denn Mitteleuropa sei "gemeinsam mit Südosteuropa" die "entscheidende Brücke zum östlichen Teil des Mittelmeers, und damit auch zur eigentlich Krisenzone von heute, dem Nahen Osten."

In der Frage des Umgangs mit Flüchtlingen bedauert Busek, dass "kein Vorschlag von den Ursachen her" vorliege. Die EU habe in dieser Frage keine Strategie. Immer wieder höre man den "geradezu läppischen Vorschlag eines Marshallplans für Afrika". Wenn man dann aber recherchiere und nachfrage, stelle man fest, dass dahinter nichts stecke. "Wir kommen um die Afrika-Frage nicht herum." Während die Chinesen starkes Interesse an Afrika zeigen würden, reiche die europäische Verantwortung "nicht einmal bis nach Libyen". Geberkonferenzen wie die jüngste Sahel-Konferenz "greifen zu kurz". "Die Ursachen werden nicht angegangen". Darunter versteht Busek die "Assistenz bei der Entwicklung funktionsfähiger Staaten" oder verstärke Kooperationen im Bildungsbereich.

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