Giftaffäre: EU ruft Botschafter aus Moskau zurück

REUTERS/Francois Lenoir
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Nach langem Ringen stellen die 28 EU-Chefs in Brüssel in einer scharfen Verurteilung fest: nur Moskau ist als Drahtzieher des Giftanschlages von Salisbury plausibel.

Knapp nach Mitternacht hatte Theresa May ihren erhofften Erfolg: die europäischen Staats- und Regierungschefs einigten sich auf eine gemeinsame, scharfe Verurteilung der russischen Regierung wegen des Giftattentats auf den früheren russischen Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter Julia vor knapp drei Wochen in der englischen Kleinstadt Salisbury.

Der Europäische Rat "stimmt mit der Einschätzung der Regierung des Vereinigten Königreichs überein, wonach sehr wahrscheinlich die Russische Föderation dafür verantwortlich ist und es keine andere plausible Erklärung gibt", heißt es in den Schlussfolgerungen. Dies stelle eine "gravierende Herausforderung für unsere gemeinsame Sicherheit dar." Die Mitgliedstaaten würden "sich darüber abstimmen, welche Konsequenzen in Anbetracht der Antworten der russischen Behörden zu ziehen sind."

Mehrere Regierungen erklärten bereits, dem Vorbild Londons zu folgen und russische Diplomaten auszuweisen. Ausdrücklich haben dies Frankreich, Polen, sowie die drei baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen erklärt. Fünf weitere Staaten sollen dies ebenfalls erwägen, hieß es in der Nacht auf Freitag während des Gipfeltreffens. Zudem wurde der EU-Botschafter in Moskau, Markus Ederer, "zu Beratungen" nach Brüssel zurückbeordert.

Kurz gehörte zu den Bremsern

Dem Vernehmen nach blockierten die Regierungschefs von Griechenland und Ungarn, Alexis Tsipras und Viktor Orbán, während der Sitzung lange diese Verschärfung des Tons gegenüber dem Kreml. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz war laut Informationen der "Presse" lange Zeit bei den Bremsern, die keine allzu klare Schuldzuweisung an Russland in schriftlicher Form sehen wollten.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am frühen Freitagmorgen, sie halte weitere Maßnahmen gegen Russland für möglich - je nachdem, zu welchem Ergebnis die mit der Untersuchung beauftragte Chemiewaffenorganisation komme. "Wir sind entschlossen, (...) gegebenenfalls auch durch weitere Maßnahmen einheitlich zu reagieren."

Russland: "So eine Sprache ist inakzeptabel"

Der neue russische Botschafter in Deutschland hat scharf auf die Erklärung des EU-Gipfels reagiert. "So eine Sprache ist inakzeptabel", sagte Sergej Netschajew der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitagsausgabe). Er bekräftigte Russlands Angebot, bei der Aufklärung des Giftanschlags von Salisbury mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten. "Aber wir sind gegen Ultimaten und unbewiesene Verleumdungen, geprägt von unangemessenen Aussagen und Parallelen", sagte Netschajew der "NOZ".

Der frühere russische Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Julia waren am 4. März in Salisbury vergiftet worden. Sie liegen weiter im Koma. London zufolge wurden beide mit dem militärischen Nervengift Nowitschok vergiftet, das zu Zeiten der Sowjetunion entwickelt wurde.

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