Umfrage

Ungarn sind europäischer, aber auch autoritärer als Österreicher

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Was trennt die Österreicher von den Ungarn in ihrer Einstellung zur EU, zu Eliten und demokratischen Grundwerten? Äußerst viel, zeigt eine parallel in beiden Ländern durchgeführte Umfrage.

Wenige Tage vor der ungarischen Parlamentswahl am kommenden Sonntag zeigt eine neue Umfrage, wie unterschiedlich österreichische und ungarische Staatsbürger denken. Die Auswertung belegt, dass Ungarn proeuropäischer eingestellt sind als ihre österreichischen Nachbarn. Die von der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) gemeinsam mit der Central European University (CEU) parallel durchgeführte Umfrage kommt allerdings auch zum Ergebnis, dass es eklatante Unterschiede in der Einstellung beider Bevölkerungen zu demokratischen Grundwerten und Eliten gibt. Österreicher und Österreicherinnen sehen Kernelemente der Demokratie wie die Unabhängigkeit der Justiz oder freie Medien positiver als die befragten Ungarn und Ungarinnen.

Der Versuch des ungarischen Ministerpräsidenten, Viktor Orbán, im jüngsten Wahlkampf, Brüssel als Sündenbock für zahlreiche gesellschaftliche und wirtschaftspolitische Probleme darzustellen, wird von einer Mehrheit seiner Landsleute als Ablenkungsmanöver empfunden. 69 Prozent stimmten der Aussage „völlig“ oder „eher“ zu, dass „die Europäische Union oft von unseren Politikern als Sündenbock verwendet wird, um von eigenen Schwächen abzulenken“. In Österreich lag die Zustimmung immerhin bei 57 Prozent. „Der oftmals wenig zimperliche Umgang mit der Union im nationalen politischen Alltag wird in der Bevölkerung durchaus kritisch gesehen – in Ungarn häufiger als in Österreich“, analysiert ÖGfE-Generalsekretär Paul Schmidt das Ergebnis. Geht es um die Frage eines Austritts aus der EU, so sind die Ungarn (84 %) noch deutlicher dagegen als die Österreicher (77 %).

Die Presse Grafik

Wunsch nach einem "starken Mann"

So überraschend die klar proeuropäische Haltung der ungarischen Bevölkerung ist, so heikel ist ihre Einstellung zu autoritären Strukturen. 88 Prozent der befragten Ungarn wünschen sich „sehr“ oder „eher“ einen „starken Mann in der Politik“. In Österreich ist das für 32 Prozent „sehr“ und für weitere 26 Prozent „eher“ wichtig. Ganz allgemein gefragt, erachten zwar 70 Prozent der Ungarn und 83 Prozent der Österreicher „Demokratie und Menschenrechte“ für „sehr wichtig“. Doch bei den abgefragten Details wird deutlich, dass demokratische Grundwerte in Ungarn keine Selbstverständlichkeit sind. Lediglich für 68 Prozent der Ungarn ist eine unabhängige Justiz „sehr wichtig“, in Österreich sind es immerhin 82 Prozent. Für eine knappe Mehrheit von 59 Prozent der Ungarn ist die Unabhängigkeit von Medien und Zivilgesellschaft von großer Bedeutung. In Österreich unterstützten dies zwei Drittel.

Für diese Tendenzen macht ÖGfE-Generalsekretär Schmidt vor allem die Themensetzung des vergangenen Wahlkampfs verantwortlich. „Eine Politik, die auf die nationale Populismuskarte setzt, hinterlässt ihre Spuren in der öffentlichen Meinung.“

Abgehobene Eliten?

Es mag kein Zufall sein, dass die an der Umfrage beteiligte Soros-Universität auch die Einstellung zu Eliten abfragte. Denn die ungarische Regierungspartei, Fidesz, hatte versucht, die Central European University ebenso wie andere vom US-Milliardär George Soros unterstützte Organisationen, die für eine offene, internationale Gesellschaft eintreten, außer Landes zu verweisen. Gebildete Eliten wurden zuletzt sowohl im ungarischen als auch im österreichischen Wahlkampf von rechten Parteien als abgehoben dargestellt. Auf die Frage „Manche sagen, dass es eine Kluft zwischen den Ansichten der Bürger und politischer Eliten gibt. Glauben Sie, das diese Einschätzung gerechtfertigt ist oder übertrieben?“ antworteten die befragten Ungarn und Österreicher unterschiedlich. 46 Prozent der repräsentativ ausgewählten ungarischen Bevölkerung hielten diese Einschätzung für „völlig gerechtfertigt“, in Österreich waren es hingegen nur 28 Prozent. Lediglich 19 Prozent der Ungarn, aber 33 Prozent der Österreicher hielten die Einschätzung, dass es eine Kluft zwischen politischen Eliten und Bevölkerung gibt, für „völlig“ oder „eher“ übertrieben.

Die telefonische Umfrage wurde kurz vor Jahreswechsel in Österreich von der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft (SWS) und in Ungarn von Závecz Research durchgeführt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2018)

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