Justizkrise in Malta, Brüssel zahnlos

Hier explodierte am 16. Oktober 2017 das Auto der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia.
Hier explodierte am 16. Oktober 2017 das Auto der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia.(c) REUTERS (DARRIN ZAMMIT LUPI)
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Neue Enthüllungen offenbaren die Verwicklung hoher Politiker in Geldwäsche. Die Kommission ist jedoch nicht willens, ihre rechtlichen Mittel einzusetzen.

Brüssel. Wer hat den Auftrag gegeben, am 16. Oktober 2017 um exakt 14:58:55 Uhr mittels ferngezündeter Autobombe die unbequeme maltesische Enthüllungsjournalistin Daphne Caruana Galizia zu ermorden? Seit Beginn dieser Woche veröffentlicht ein Rechercheteam aus 45 Investigativreportern von 18 internationalen Medienunternehmen, darunter Reuters, „Die Zeit“, „Le Monde“ und „New York Times“, täglich neue Erkenntnisse über diesen Fall.

Drei Berufsverbrecher sitzen seit Monaten in Untersuchungshaft, sie schweigen sich stur über ihren oder ihre Auftraggeber aus. Doch auf dem Weg zur Enthüllung der Drahtzieher hat das Recherchekollektiv, das sich Projekt Daphne nennt, politisch brisante Einsichten in die Korruption des politischen Systems des 620.000 Einwohner zählenden EU-Mitgliedstaates gewonnen – Korruption, die bis ins Vorzimmer des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Joseph Muscat reichen dürfte. Die Rechercheure deckten auf, dass die maltesische Antikorruptionsbehörde Schmiergeldermittlungen führt, die Muscats Kabinettschef, Keith Schembri, sowie einen früheren Geschäftsfreund Muscats, Brian Tonna, betreffen. Im Jahr 2016, so vermuten die maltesischen Ermittler, hätten drei Russen Schmiergeld in Summe von 166.832 Euro an eine Briefkastenfirma Tonnas überwiesen, um maltesische Reisepässe zu erhalten. Nach diesen Überweisungen gingen zwei Zahlungen zu je 50.000 Euro vom Konto dieser Firma Tonnas an ein Bankkonto von Schembri. Begründung gegenüber den Ermittlern: Tonna habe Schembri bei der Bestreitung von dessen Scheidungskosten geholfen. „Die Zahl von 100.000 Euro scheint viel höher als das, was gewöhnlicherweise von Person benötigt wird, um eine persönliche Trennung zu vollziehen“, fassten die Ermittler ihre Zweifel an diesem Alibi zusammen.

Maltesische Büchse der Pandora

Muscat weist ebenso wie Tonna und Schembri alle Anschuldigungen zurück. Allerdings trägt er persönlich die Verantwortung für die Schikanen, denen die maltesischen Justizermittler in diesem Fall ausgesetzt sind: Der Ministerpräsident ernennt Maltas Polizeichef persönlich, der Justizminister führt den Aufsichtsrat der erwähnten maltesischen Behörde gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung, ist Rechtsberater der Regierung und oberster Staatsanwalt. Ist in so einer Gemengelage, noch dazu in einem kleinen Land, wo jeder jeden kennt, eine unabhängige Justiz möglich? Liegt nicht vielmehr ein Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit vor, auf die sich alle Unionsmitglieder in Artikel 2 des EU-Vertrags verpflichtet haben?

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