Auf der Suche nach neuen grünen Themen

Annalena Baerbock und Robert Habeck
Annalena Baerbock und Robert Habeckimago/Jens Schicke
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In mehreren EU-Staaten kriseln die grünen Parteien: Ihre Kernthemen werden schon längst von anderen Parteien besetzt. In Deutschland und den Niederlanden erlebt die Ökopartei aber eine Renaissance.

Wien.Dem Katzenjammer folgen Hoffnungen auf eine grüne Renaissance: Nach schlechten Wahlergebnissen und Identitätskrisen setzt man auf einen Neustart vor der EU-Parlamentswahl 2019. Noch ist man auf der Suche nach originellen Themen, nachdem der Kernbereich Ökologie und die linke Mitte auch von anderen Parteien besetzt werden. Europas Grüne sind proeuropäisch, für kontrollierte Zuwanderung – uneins, wenn es um Sozial- und Wirtschaftspolitik geht. In Zeiten, in denen man vor allem mit Sicherheitspolitik punktet, gilt die Partei bei vielen Wählern als blauäugig.

Einige Ansätze zur Erneuerung gibt es bereits. Etwa in Deutschland: Hier musste sich die einstige Regierungspartei bei der Bundestagswahl im September mit knapp neun Prozent begnügen, Träume von einer Regierungsbeteiligung platzten schnell. Umfragen deuten auf eine Wende hin: In Bayern haben die Grünen die SPD als zweitstärkste Partei überholt, bei Bundestagswahlen könnten sie derzeit mit zwölf Prozent der Stimmen rechnen. In einer neuen Befragung traut ihnen die Mehrheit (29 Prozent) die beste Oppositionsarbeit zu – obwohl die Grünen die kleinste Fraktion im Bundestag stellen.

Vielleicht liegt dies an der neuen Führungsspitze, dem Duo Annalena Baerbock und Robert Habeck. Die beiden „Realos“ geben sich betont harmonisch, was ideologisch spaltende Fragen betrifft. In ihren Worten: Sie wollen das alte grüne „Links-rechts-Schema“ überwinden, „europäisch und weltoffen, ökologisch und sozial“ sein, die Alternative zur „rückwärtsgewandten, illiberalen Rechten“. Sprich: Ziel ist die Rückeroberung der urbanen, bürgerlichen Mitte.

Shootingstar der europäischen Grünen ist aber der junge Charismatiker Jesse Klaver aus den Niederlanden. Noch überzeugender als seine deutschen Kollegen präsentiert er seine GroenLinks als optimistische Kraft des Wandels, als weltoffene Alternative zum Rechtspopulisten Geert Wilders. Klavers GroenLinks nimmt rasant in Umfragen zu und wurde unlängst stärkste Partei in den beiden Großstädten Amsterdam und Utrecht. Anders als in Deutschland setzt Klaver erfolgreich auf Kapitalismuskritik.

In Skandinavien hingegen besetzten die Grünen eher die Mitte – in Schweden sind sie sogar Teil einer Minderheitsregierung. Nach Vorwürfen, Islamisten infiltrierten die Partei, sinken die Umfragewerte, schon zwei Minister mussten deshalb zurücktreten. Der Druck nach einer strengeren Zuwanderungslinie steigt.

Wenig erfolgreich sind die Grünen seit jeher in Frankreich, Süd- oder Osteuropa, wo sie als Kleinstparteien traditionell kaum Chancen haben. In Frankreich zum Beispiel stellten sie bei der Präsidentschaftswahl 2017 erstmals seit den 1980er-Jahren keinen eigenen Kandidaten auf – denn die grünen Themen wurden allesamt vom Sozialisten Benoît Hamon und dem Linksaußenkandidaten Jean-Luc Mélenchon besetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2018)

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