EU-Kommissar: Flüchtlingsquoten nicht vom Tisch

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BELGIUM-EU-MIGRANTS-VISAAPA/AFP/EMMANUEL DUNAND
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Innenkommissar Dimitris Avramopoulos will unter Österreichs EU-Vorsitz den Schutz der EU-Außengrenzen stärken. Österreich solle seine Grenzkontrollen im November beenden.

EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos will unter Österreichs EU-Vorsitz die Vernetzung von Polizei-, Migrations- und Sicherheitsdaten in der EU vorantreiben und den Schutz der EU-Außengrenzen stärken. Vor seinem Wien-Besuch am Donnerstag sagte der EU-Kommissar: "Österreich ist eines der Kernländer Europas. Ich zähle sehr stark auf die österreichische Präsidentschaft."

"Mit Österreich teilen wir dieselben Ziele. Und wenn es auch unterschiedliche Zugänge und einige Fragen gibt, diskutieren wir gemeinsame Wege und Antworten. Diese gemeinsamen Antworten können nur europäische sein", sagte der aus Griechenland stammende konservative Politiker. Avramopoulos will am Donnerstag in Wien Innenminister Herbert Kickl, Außenministerin Karin Kneissl (beide FPÖ) sowie EU-Minister Gernot Blümel (ÖVP) zur Vorbereitung der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte einen Besuch abstatten.

Angesprochen auf den Streit um die Reform des Dublin-Systems sagte Avramopoulos, verpflichtende Flüchtlingsquoten seien "nicht vom Tisch. Wenn es vom Tisch kommen soll, muss es von allen Mitgliedstaaten so entschieden werden." Die Diskussionen würden weitergehen, um einen Konsens der EU-Staaten bis Juni zu erreichen. "Uns läuft die Zeit davon. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Die Staats- und Regierungschefs haben eine Frist bis Juni vereinbart. Aber im Juni geht es nicht nur um Dublin und die Asylreform. Das ist nur Teil des größeren Bildes.

"Bessere Rückführungen"

Was ebenso wichtig ist, sind stärkere Außengrenzen, Zusammenarbeit mit Drittstaaten sowie die Rückführungen zu erhöhen und mehr in Resettlement zu investieren." Die EU-Staaten müssten die Rückführungen abgelehnter Asylwerber verbessern, ihre Resettlement-Zusagen umsetzen sowie Personal und operationelle Ressourcen für die europäische Grenz- und Küstenwache bereitstellen, "die eine der größten Errungenschaften unserer Zeit ist."

Dass Österreich seine Haltung zu Flüchtlingsquoten geändert hat, ist für Avramopoulos "nicht sichtbar. Ich glaube, dass die Grundlinien Österreichs in Zukunft von europäischen Grundsätzen definiert sind. Ich weiß, dass Migration, Grenzen und Sicherheit Top-Prioritäten Österreichs sind."

Vom EU-Gipfel in Salzburg im September erwartet sich der EU-Kommissar einen Fortschritt auf dem Weg zur EU-Sicherheitsunion. "Wir arbeiten an allen Fronten, um unsere Außengrenzen besser zu schützen. Ich weiß, dass das für Österreich sehr wichtig ist. Verglichen mit vor ein paar Jahren haben wir einen großen Fortschritt gemacht. Jetzt haben wir systematische Sicherheitschecks für jeden, der unsere Grenze überquert. Wir tauschen mehr Sicherheits-Informationen als je zuvor aus. Unser Vorschlag sieht eine Vernetzung zwischen unseren Migrations-, Grenzschutz und Sicherheitssystemen vor. Während der österreichischen EU-Präsidentschaft können wir mehr zum Einreise-Ausreise-System machen und auch zum europäischen Reiseinformations- und Genehmigungsystem (ETIAS)." Außerdem würden Statusvereinbarungen für die Europäische Grenz- und Küstenwache mit den Partnern am Westbalkan verhandelt. "Die Schlussfolgerung ist: Unsere Grenzen werden besser geschützt sein als jetzt."

Erste Anti-Terror-Erfolge

Auch wegen der Terrorismusbekämpfung müsse die EU Informationslücken schließen und sicherstellen, "dass Informationssysteme miteinander sprechen, etwas das es vorher nicht gab." Die EU habe zudem eine gute Kooperation mit Internetprovidern aufgebaut, "und während der österreichischen Präsidentschaft können wir noch mehr dazu machen. Die Schlacht gegen Radikalisierung findet im Internet statt. Jetzt haben wir die ersten greifbaren Resultate: Mehr als 90 Prozent des online gestellten Terror-Materials wird von den großen Firmen vom Netz genommen. Und wir haben auch kleine Firmen eingeladen, sich dieser Zusammenarbeit anzuschließen."

Avramopoulos betonte, für die neuen Herausforderungen habe die EU-Kommission 34,9 Milliarden Euro im Finanzplan für 2021 bis 2027 vorgeschlagen, mehr als das Doppelte im Vergleich zur bisherigen Periode. "Am Ende sollen wir mehr als 10.000 Grenzschützer und einen neuen integrierten Grenzschutz-Management-Fonds haben", sagte er. Derzeit verfügt die Europäische Grenz- und Küstenwache über 1600 Mitarbeiter, die unter anderem in Griechenland und Italien die nationalen Stellen unterstützen.

"Zurück zu Schengen"

An Österreich und fünf andere Schengen-Staaten, die derzeit Grenzkontrollen durchführen, appellierte Avramopoulos, diese Kontrollen im November zu beenden. "Wir müssen zu einem normalen Funktionieren von Schengen zurückkehren. Wenn Schengen stirbt, wird das der Anfang vom Ende Europas sein." Er verstehe die Sorgen der sechs Staaten bezüglich Sicherheit und irregulärer Migration, doch habe die EU seit 2015 viel erreicht. So könne die EU jetzt identifizieren, ob Einreisende eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen. "Wenn die Mitgliedstaaten die Polizeikontrollen an ihren Grenzen verstärken wollen, können sie das tun", betonte er. "Aber das ist der Unterschied zwischen verstärkten Polizeikontrollen und Grenzschließungen."

Avramopoulos kennt Wien übrigens gut aus seiner beruflichen Vergangenheit. Anfang der 1990er-Jahre vertrat er Griechenland als Diplomat bei der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.

(APA)

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